In den letzten Jahren hatte der Saxophonist und Sänger Tommy Schneller seine musikalische Heimat bei Henrik Freischladers Cable Car Records gefunden. Mit seinem sechsten Album „Backbeat“ vollzieht er jetzt den Wechsel zum rührigen Osnabrücker Label und Vertrieb Timezone.

Schon die ersten Einsätze von Jens Filsers Slide-Gitarre beim Opener und Titeltrack machen eines klar: Bei der Tommy Schneller Band steht auch auf Platte der Blues wesentlich deutlicher im Zentrum als auf den letzten Alben. Womit natürlich nicht gesagt sein soll, dass die Einflüsse aus Soul, Funk und Jazz verschwunden wären. Denn dann hätte diese Band ihre Besonderheit verloren. Nein, das ganze Gegenteil ist der Fall: Durch den durchaus auch rauh und dreckig dargebotenen Blues bekommt die Musik Schnellers eine Direktheit und Energie, die man von Studioproduktionen solcher Bigbands nicht immer erwarten kann.

Hier macht sich der Unterschied zu Freischladers Produktionsweise mehr als deutlich bemerkbar: Es musiziert nich Schneller mit einzelnen Musikern sondern es spielt die Tommy Schneller Band. Die Rhythmusgruppe groovt zwingend und treibt auch Muffel auf die Tanzfläche, die Bläser erinnern mal an klassischen Soul und Funk, mal mehr an Bigbandjazz. Und neben dem schon erwähnten Gitarristen Jens Filser muss man unbedingt auch den Keyboarder Gregory Barrett erwähnen, der für mich das heimliche Herz und Hirn der Truppe neben dem Chef darstellt.

Als Bonus erscheint die CD noch mit einer beigelegten EP mit drei Titel in jeweils zwei Versionen. Die „Neu Deutsch“ betitelte Scheibe bringt genau das: Schnellersongs mit deutschen Texten. Zur Zeit scheint sich da ja ein kleinerer Trend abzuzeichnen, nachdem sogar die East Blues Experience mit Textübertragungen ihrer eigenen Songs hervortrat. Bei Schneller ist das für meine Ohren zwar wesentlich unpeinlicher als die Songs der EBE. „Lass die Seele fliegen“ („Let Your Soul Shine“) und „Laut hör ich dich denken“ („I Know What You’re Thinking“) sind dennoch in ihrer Art gewöhnungsbedürftig. Die Texte holpern mehr als ein wenig – hier sollte Schneller vielleicht mal Leute wie Stoppok drüberschauen lassen.

Bemerkenswert ist auf der EP aber vor allem die bereits veröffentlichte Single „Arschkalte Art“. Hier ist Schneller ein Politblueser, dem rechte Parolen, Ausländerfeindlichkeit und Gefühlskälte in Wut versetzen. Ein deutliches Statement – und die Einnahmen dafür spendet der Musiker komplett an ein Filmprojekt zweier syrischer Flüchtlinge, die mit ihrer Arbeit zeigen wollen, dass jeder Flüchtling zunächst vor allem eines ist: ein Mensch. Daumen hoch dafür! Ansonsten gilt auch hier: ne Zusammenarbeit mit Stoppok in Sachen deutscher Texte zu uramerikanischer Musik könnte großartige Ergebnisse hervorbringen.

Schon jetzt kann man sagen, das „Backbeat“ 2016 zu den Höhepunkten des Bluesjahres zählen wird. Für mich jedenfalls ist das hier das überzeugendste und mitreißendste Album von Tommy Schneller, das ich bislang gehört habe. (Timezone)