Sie ist Sängerin beim Folktrio The Wailin‘ Jennys, er gehörte in den 60er Jahren zu den prägenden Posaunisten des Free Jazz. Gemeinsam haben Heather Masse und Roswell Rudd mit „August Love Song“ eines der faszinierendsten Jazz-Alben der letzten Monate veröffentlicht.

Treffen sich eine Bluegrasssängerin und ein Freejazzer bei einer Jamsession: Was klingt wie ein seltsamer Witz, passierte tatsächlich. Sängerin Heather Masse hatte neben ihrer Band The Wailin Jennys schon immer Soloalben mit Jazzbezügen veröffentlicht. Und in Sendungen wie The Prairie Home Companion stand sie auch schon gemeinsam mit Wynton Marsalis auf der Bühne. Und genau bei dieser durch Altman’s Film auch hierzulande bekannt gewordenen Sendung traf sie erstmals auf den Posaunisten Roswell Rudd.

Rudd spielte in den 60er Jahren etwa beim New York Art Quartet, einer der wichtigsten Free-Jazz-Gruppen der 60er. Er spielte mit dem Pianisten Cecil Taylor und dem Saxophonisten Steve Lazy. Und auf Alben wie „Four For Trane“ steuerte er seine Posaunenklänge der Musik von Achie Shepp bei. Auch mit Charlie Hadens Liberation Music Orchestra war Rudd unterwegs.

In den letzten Jahren allerdings war der Freejazz für ihn eigentlich nicht mehr so wichtig wie das sich Einlassen auf verschiedenste musikalische Traditionen. Rudd spielt etwa mit einem mongolischen Gesangsensemble zusammen. Und zu seinem 80. Geburtstag hatte er auch die Zydecoband Beausoleil eingeladen. Und auch mit einer Dixielandband, mit der er vor Jahrzehnten unterwegs war, tat er sich kürzlich wieder zusammen.

Nach dem ersten Treffen verabredeten sich Rudd und Masse zu wöchentlichen Jamsessions in der Wohnung des Posaunisten. Denn sie hatten festgestellt, dass sie ziemlich in der gleichen Gegend wohnen. Aus den Treffen ist jetzt ein Album erwachsen, teils mit Jazzklassikern, teils mit neuen Songs. Doch all die eint eines: Ein Zusammenspiel zwischen menschlicher Stimme und Posaune, das an Intensität schwer zu übertreffen ist.

Das geht schon beim Opener „Social Call“ los, den auch schon Bessie Smith, Billie Holiday oder Betty Carter im Programm hatten: Rau und kantig Rudds Posaune, leicht und glockenklar Masses Gesang. Wie beim Rest des Albums werden beide hier lediglich von Rolf Sturm (g) und Mark Helias (b) begleitet. Durch die Akkordfolgen des Songs finden beide immer wieder zu Momenten der Einheit, wo der Alt der Sängerin und der warme Klang der Posaune zu Klängen verschmelzen, die traditionell klingen und gleichzeitig soviel Kanten behalten, dass die Spannung erhalten bleibt.

Auch beim Titelsong oder dem von Russ mit einem knurrenden „It Don’t Mean a Thing“ eingeleiteten „Mood Indingo“ entstehen so swingende Jazzmomente zwischen purer Schönheit, pulsierender Emotionalität und jeder Menge Soul. Höhepunkt ist das Medley aus „Blackstrap Molasses“ und „That Old Devil Moon“: Scheinbar ganz saubere Klänge und Intonationen täuschen Harmlosigkeit vor. Doch wenn man genauer hinhört, dann ist da in dem Mondlicht eine Schärfe drin, an der man sich die Finger schneiden könnte.

„August Love Song“ von Roswell Rudd & Heather Masse ist ganz ohne Zweifel eines der besten Jazzalben des Jahres 2016. Unbedingte Hörempfehlung!