Es soll tatsächlich noch Menschen geben, die beim Chicago Blues zuerst und zuletzt nur an die klassischen Bands von Muddy Waters, Howlin Wolf oder Little Walter denken. Doch schon damals spielten sich jüngere Musiker die Finger wund, um sich in den Clubs der Stadt durchzusetzen. Diesen Weg ist in den letzten Jahren auch Toronzo Cannon gegangen und hat auf dem Weg zu einem eigenen Gitarrenstil gefunden, der das Erbe solcher Vorgänger wie Otis Rush, Magic Sam oder Buddy Guy aufgenommen. Jetzt hat er mit The Chicago Way sein erstes Album bei Alligator Records veröffentlicht und dürfte vor einer Weltkarriere stehen.

Tagsüber fährt er Stadtbusse in Chicago. Und nachts oder an freien Tagen trifft man Cannon wahrscheinlich in irgendeinem Club mit seiner Gitarre. Bis auf jenen 13. Juni 2015. Da stand der Sänger und Gitarrist mit seiner Band als Headliner auf der Bühne des Chicago Blues Festival und fegte das Publikum mit seinem Auftritt förmlich hinweg. „Next Big Thing“ war noch das mindeste Kompliment, das uneingeweihte Besucher von außerhalb über die Lippen brachten. Zu dem Zeitpunkt hatte Toronzo Cannon aber schon acht Mal bei dem Festival gespielt. Meist war er da Sideman etwa für Tommy McCracken, Wayne Baker Brooks, oder Joanna Connor.

Der 1968 geborene Musiker kam erst spät zur Gitarre und noch später zum Blues. Eigentlich galt seine Liebe zunächst dem Reggae – auch wenn er als Kind in der Southside sich noch die Nase an den Bluesclubs plattgedrückt hatte, um Leute wie Junior Wells oder Buddy Guy zu erleben. Irgendwann setzte sich der Blues in ihm durch und er absorbierte das Erbe so ziemlich aller wichtigen E-Gitarristen zwischen den Kings, Guy, Hound Dog Taylor und Jimi Hendrix.

Nach selbstproduzierten Alben und einer CD für Delmark (John the Conquer Root) hatte ihn Bruce Iglauer direkt vor dem genannten Festivalauftritt unter Vertrag genommen. Gemeinsam mit ihm hat Cannon sein Labeldebüt jetzt auch gleich produziert: Elf Songs zwischen funkigem Blues, ein wenig Bluesrock und jeder Menge Soul in der Stimme. Nur selten wird der Fuß ein wenig vom Gas genommen. Erst Titel neun ist dann eine Ballade, die einen sofort verstehen lässt, wieso Cannon auch Al Green zu seinen Einflüssen zählt.

Bei Stücken wie „Midlife Crisis“ oder „Bad Contract“ zeigt sich der Humor des Songschreibers, der den Wortspielereien dann bei „Mrs. From Mississippi“ dann noch die Krone aufsetzt. Ehrlich: „The Chicago Way“ hat keine Schwachstellen. Es ist ein absolut gelungenes und hörenswertes Album für alle Freunde des elektrischen Blues. Und ja: So ist Chicago Blues im 21. Jahrhundert! (Alligator/In-akustik)