Sein Vater Larry genießt als Jazz-Gitarrist Weltruhm. Doch Murali Coryell hat sich schon früh für Blues und Bluesrock entschieden. Seine Gitarre klingt wahlweise funky wie zu besten Stax-Zeiten, rockt wie es für einen Texaner angemessen ist oder singt wie eine Hommage an Jimi Hendrix. Zwei Konzerte aus den Jahren 2012 und 2010 hat er auf der CD/DVD-Kombination „Live“ zusammengefasst und beim eigenen Label Shake-It-Sugar-Records veröffentlicht.

Der Opener ist das Motto, was über dem Auftritt im Club Helsinki in Hudson (New York) Ende Juli 2012 stand: „In The Room With Jimi“. Auch wenn Murali Coryell bei weitem keiner dieser zahllosen Hendrix-Kopisten ist – als großes Vorbild steht er doch immer irgendwie mit im Raum, wenn heute jemand Blues auf der E-Gitarre spielt. Keiner hat deutlicher vorgelebt, wie man dieses Instrument mit allen seinen technischen und technologischen Möglichkeiten und Begrenzungen für seine Kunst nutzen kann. Mit Jimi im Raum sind bei Murali aber immer auch andere musikalische Heroen: Marvin Gaye oder Sam Cooke als Soul-Prediger, aber auch Zeitgenossen wie der mit ihm befreundete Joe Louis Walker. So sind die elf Songs, die Murali mit seiner Band (Dorian Randolph – dr,voc; Vince Leggiere – b; Bill Foster -g; Stacey Waterous – sax,voc; Cameron Melville – org) dem Publikum serviert eine Fusion aus all diesen großen Vorbildern unter dem großen Label „Blues“. Blues mit jeder Menge Soul, mit rockigen Ausbrüchen und lyrischen Meditationen. Seine Gitarre geht flexibel auf die Stilwechsel ein, ohne ihren prägnanten Ton jemals zu verleugnen. Das liebe Gemeinde nennt man; ein meisterhaftes Blueskonzert von einem Gitarristen, der mit Walker, Tommy Castro oder anderen hochgepriesenen Helden der Bluesgegenwart locker auf einer Stufe spielen kann. Nur dass ihn außerhalb New Yorks noch viel zu wenige Menschen kennen. Und wenn dann höchstens von dem gemeinsam mit Vater und Bruder für Chesky Records eingespielten Akustikalbum. Aber das ist eher ein – sehr schönes, zugegebenermaßen – Nebenprojekt. Murali Coryell‘s eigentliches Metier ist der elektrische Blues, das Spiel mit Jimi und all den anderen Helden als Zeugen im Raum.

Wenn heutzutage oftmals Live-Alben gleichzeitig auch als DVD beigelegt werden, dann ist das eine nette Entwicklung, die mir eigentlich nicht so wichtig ist. Ich nehme auch ein Konzert mehr mit den Ohren als mit den Augen wahr. Hier aber entgeht einem etwas, wenn man die DVD nicht einlegt. Denn darauf ist ein ganz anderes Konzert mit einer fast komplett anderen Liste von Songs. Gefilmt wurde Coryell‘s Auftritt beim The Roots & Blues Festival 2010 in Salmon Arm (BC). Auch hier gilt obiges Fazit – wer nicht zuhört und das Staunen lernt, der braucht wahrscheinlich einen guten Hörgeräteakustiker. Das kann dann entweder am Alter liegen oder daran, dass man zu häufig lärmenden Zeitgenossen wie Joe Bonamassa zugehört hat. Wer allerdings in den Genuss dieser Zugabe kommen will, kommt um einen sündhaften Preis von um die vierzig Euro nicht herum – beim Download der Albums als mp3 bekommt man nur das erste der Konzerte geliefert.