Klar trifft man bei „Blues & More“ in Chemnitz auch die altgedienten Blueser, die schon gar nicht mehr mitgezählt haben, wie oft sie Bands wie Engerling oder Monokel schon gesehen haben. Doch daneben kommen zu den meist im Eiscafé Temmler stattfindenden Konzerten auch Menschen, die jenseits aller Genre neugierig auf unerhörte Klänge sind. Beide Gruppen kamen am 27. Dezember beim Auftritt des niederländisch/amerikanischen Trios Tangled Eye auf ihre Kosten. Von Raimund Nitzsche. Fotos: Karsten Spehr.
27.12.2014: Tagled Eye in Chemnitz bei „Blues & More“. Text: Raimund Nitzsche. Fotos: Karsten Spehr
Es gibt sie tatsächlich auch noch heute, die Bluesszene in Sachsen. Zwar sind die ursprünglichen Fans inzwischen mit ihren Helden in die Jahre gekommen, doch immer wieder finden sich auch jüngere Menschen, die ihre Liebe zum Blues und ähnlicher Musik entdecken. Zum Glück gibt es für sie Veranstalter, die sich nicht auf die altbekannten Vertreter der ostdeutschen Bluesszene verlassen, sondern immer auf der Suche auch nach ungewöhnlichen Sounds und unerzählten Bluesgeschichten sind.
Bei „Blues & More“ in Chemnitz ist der Name Programm: Selbst estnische Vokalmusik konnte man da schon erleben. Aber immer wieder treten Musiker auf, bekannte und noch unbekannte, die dem alten Blues ihre eigene Note verpassen. Unter den Neuentdeckungen im Jahr 2014 gehörte Tangled Eye (Dede Priest – voc, v; Jan Mittendorp – g; Jasper Mortier – dr) zu den ungewöhnlichsten und spannendsten. Direkt nach den Weihnachtstagen und mitten hinein in das erste ordentliche Winterwetter waren sie extra für ein Konzert nach Sachsen gekommen. Und das war kurz gesagt großartig.
Dede Priest ist ein Phänomen. Ihre Stimme kann mal nach leidenschaftlicher Gospelpredigt oder sehnsüchtigem Soul klingen. Im nächsten Song ist da eine rockende Powerfrau zu hören, die notfalls die Krallen ausfährt. Und immer wieder setzt sie die teilweise mit Effekten verfremdete Geige ein, um den Liedern einen ganz eigenen Sound zu verpassen. Vom ersten Moment an kann einen diese Frau in ihren Bann ziehen. Und fast könnte man vergessen, dass Tangled Eye aus drei ganz eigenständigen Musikern besteht, die gemeinsam Musik spielen, die zwischen Bluesrock, psychedelischen Klangmalereien und jazzigen Ausflügen pendelt.
Neben Dede Priest sind das Gitarrist Jan Mittendorp, der mal heftig Bass- und Gitarrenlinien gleichzeitig auf seinem Instument spielt, mal spannende Slide-Exkursionen unternimmt. Und dann ist da noch Jasper Mortier mit seinem meist aufs äußerste reduzierten, aber gleichzeitig kraftvollen und pulsierenden Schlagzeugspiel die Lieder vor sich her treibt.
Wer die Chance hat, sollte Tangled Eye unbedingt live erleben – am besten in einem kleineren Club wo man wie im Eiscafe Temmler der Band dicht auf die Pelle rücken kann – auf größeren Bühnen bei Festivals etwa kann so eine körperlich fühlbare Spannung schwer entstehen.