CoverFusion-Jazz im Stile der 70er Jahre findet sich auf der leider nur vier Stücke umfassenden Scheibe "The Sun Stood Still". Eingespielt wurde die EP von dem 17jährigen Schlagzeuger Tito Pascoal und seinem Vater Tim am Keyboard mit Unterstützung von Jazz-Größen wie Bob Mintzer.

Wie ist das eigentlich im Umgang mit Wunderkindern? Mit gerade einmal 12 Jahren hatte der portugiesische Schlagzeuger Tito Pascoal sein erstes Album veröffentlicht und war in der Szene vor allem für seine unglaubliche Präzision gefeiert worden. Fünf Jahre später hat er prominente Endorsement-Verträge und unterrichtet inzwischen selbst. Und er hat in der gemeinsamen Band mit seinem Vater vier neue Stücke veröffentlicht, denen man widerum das jugendliche Alter des Drummers in keiner Sekunde anhört. So weit so gut. Tito Pascoal ist ein wirklich begnadeter Schlagzeuger. Punkt.

Von der Kritik wurde schon von Anfang an der Jazz-Rock, Fusion-Jazz oder welche Schubladen man auch immer erfand, kritisch beäugt. Jedenfalls von der intellektuellen Jazz-Kritik: Wie kann man nur so populistisch sein und Musik einspielen, die so hemmungslos auf den Massengeschmack der Rockhörer zielt? Wobei der normale Rockhörer ja nun wirklich nicht unbedingt zu den Käufern von den Alben von Miles Davis, Chick Corea's Return to Forever oder dem Mahavishnu Orchestra griff. Schnell hatte sich in der öffentlichen Wahrnehmung diese Mode überlebt. Wenn man mal von Ausnahmebands wie Weather Report absieht.

All die hier genannten Namen könnte man gut als Referenzen für "The Sun Stood Still" anführen. Denn beim Hören fühlt man sich unwillkürlich in diese Zeit der frühen 70er Jahre versetzt: Atmosphärische Keyboards, melodische Basslinien, und dann noch Bob Mintzers Saxophon beim Titelsong und dem letzten Stück "The Land Of Honey And Milk". Das ist Fusionjazz fernab von der Tendenz zu reiner "Fahrstuhlmusik". Hier passiert Jazz in dem Sinne, dass die Musiker improvisierend interagieren. Und die Einflüsse aus Funk, Latin oder Soul passen dazu. Komponiert wurden die Stücke sämtlich von Keyboarder Tim Pascoal. Und – hier ein Argument gegen die "Wunderkind"-Schreiberei: Zwar ist das Schlagzeug von Tito immer präsent und prägnant. Doch niemals werden die vier Nummern zu reinen Show-Acts für ihn. Er ist einfach Teil einer eingespielten Band. Und das ist gut so. Schade, dass die EP noch nicht einmal eine halbe Stunde lang ist. Ich hätte mir hier mehr Musik in diesem Stil gewünscht. Ich bin aber ja auch kein ausgewiesener intellektueller Jazzkritiker.

Im Sommer ist die Tim & Tito Pascoal Band übrigens im Vorprogramm von Wolfgang Dauner zu erleben. Bislang wurde ein Auftritt auf der Sommerbühne am Blautopf in Blaubeuren bestätigt. Mal sehen, ob sich noch andere Jazzfestivals finden lassen für eine wirklich hörenswerte Fusion-Jazz-Band…