Das Ungeheuer ist los

Ein Gebäude, ähnlich einer Fabrik,
Steht allein, weit entfernt
Plötzlich explodiert es
Die Erde bebt, die Kamera schwankt
Rauch steigt auf, unser Schicksal ist entschieden
Das Dach ist weg, das Ungeheuer ist los
Oben steht Live
Inzwischen ist es
So weit nicht mehr
Selbst für uns

 

Auszüge aus: Ryo Kikuchi – Schlechte Zeit für Haiku. Gedichte nach Fukushima. Zweisprachig japanisch – deutsch. freiraum-verlag Greifswald, 2016.

Meine Rüstung

Mit der Fremdsprache
Gerüstet
Bin ich fremd
In der Fremde
Geschützt
Vor der Strahlung

Das technologische Wunder

Kinder jagen Seifenblasen
Die nie zerplatzen
Die Eltern freuen sich
Bis plötzlich
Die Kinder verschwunden sind

Ein dystopischer Ratschlag

 Depression?<br />   Dann steh doch<br />    Morgens früh auf<br />  Und geh spazieren<br />     Wähle ein eiweißreiches Mittagessen<br />   Und mach ein Nickerchen<br />   Statt Kaffee zu trinken<br />   Vermeide Nachrichten<br />  Die dich ängstigen<br />    Und Alkohol am Abend<br />  Der den Schlaf stören kann<br />    Dann fühlst du dich gut<br />   Noch beim Weltuntergang

Totentanz

Wir haben nicht aufgehört
Zu tanzen
Als unsere Nachbarn schrien
Weil die Musik noch spielte

 Wir haben nicht bemerkt<br />   Dass unser Heu in Brand geraten war<br />   Weil die Musik so laut war

In unserer Zeit ist es
Fast ein Verbrechen
Nicht zu tanzen
Wenn die Musik spielt

In dem Haus
Das sie von außen verriegelt haben
Tanzen wir weiter
Ohne zu wissen
Wer draußen Musik macht
Und warum

Feuersturm von oben

Tief in der Nacht<br />     Fliegen Hubschrauber<br />  Über die Flammen<br />  Der einstigen Kleinstadt

Diese Liveübertragung<br />     Wird nicht von Musik begleitet<br />    Nur das Geräusch der Rotoren<br />  Hören wir ohne Kommentar

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