Irgendwann hatte es auch Ruthie Foster erwischt: Kritiker verglichen die Bluessängerin und Songwriterin nicht nur mit Aretha Franklin. Nein, Kritiker recycelten selbst die ursprünglich auf Franklin gemünzte Bemerkung, selbst wenn sie das Telefonbuch sänge, würde daraus ein spirituelles Erlebnis, als sie über Platten von Foster schrieben. Wahr ist, dass sie nicht erst seit ihrem 2009 für einen Grammy nominierten Album „The Truth According To Ruthie Foster“ zu einer der bemerkenswertesten Soulsängerinnen der Gegenwart gereift ist. Ihr aktuelles Album „Let It Burn“ ist dafür ein weiterer Beleg.

Die Vergleiche sind immer die gleichen, die gezogen werden, wenn eine halbwegs individuelle Stimme zu entdecken ist: Aretha Franklin, Ella Fitzgerald, Billie Holiday,… Auch Ruthie Foster kommt um solche Vergleiche nicht herum. Aber sie spielt auch damit. Denn hatte man bei Aretha Franklin irgendwann gesagt, sie könne selbst das Singen eines Telefonbuchs zu einem transzendentalen Erlebnis machen, dann erweitert sie das in der Vorstellung ihres Albums „The Truth According To Ruthie Foster“ um Wäschelisten, über die sie jammen könnte und ihre Zuhörer glücklich nach Hause entlassen könnte. Jetzt nahm man die Sängerin und Gitarristin endlich auch außerhalb der Blueskreise wahr. Eine Grammy-Nominierung kann da Wunder wirken, wie sie Blues Music Awards in den Medien nicht haben. Und bei denen zählt sie seit Jahren zu den regelmäßig ausgezeichneten Musikerinnen. „Let It Burn“ ist jetzt der nächste Schritt Ruthie Fosters von der akustischen Gospelblueserin hin zu einer der bemerkenswertesten Soulsängeringen der Gegenwart.

Ihre akustische Gitarre schweigt diesmal. Auf „Let It Burn“ präsentiert sich Foster ganz allein als Sängerin. Sie lässt sich begleiten von der Rhythmusgruppe der Meters aus New Orleans. Die Blind Boys of Alabama setzen mit ihren vier Auftritten einen regelrechten Gospelrahmen für das Album. Und Ruthie Foster interpretiert mir ihrer eindringlichen Gospelstimme Lieder zwischen Pete Seeger, Anita Baker, The Band und den Black Keys.

Was sich auf dem Papier reichlich zusammengewürfelt ansieht, überzeugt schon beim ersten Hören auf ganzer Linie: Ruthie Foster war schon immer dafür beliebt, dass sie – egal ob bei weltlichem Blues oder Rhythm & Blues oder traditionellen Gospelsongs immer so intensiv singt, als stünde sie auf der Kanzel. So wird aus Johnny Cashs „Ring of Fire“ eine Ballade, die um himmlische und nicht weltliche Erlösung fleht. Auch Adeles „Set Fire To The Rain“ oder „Everlasting Light“ von den Black Keyes, The Bands „It Makes No Difference“ oder „If I Had A Hammer“ von Pete Seeger verwandeln sich hier in feinsten Southern Soul mit einer Menge Gospelfeeling. Und jenseits aller Retro-Debatten: „Let It Burn“ klingt zu jedem Zeitpunkt völlig zeitlos – hier ist nicht zu merken, dass sich Musikerin oder Produzent an irgend einen Zeitgeist anhängen würden. Fosters Interpretationen und die gesamte Produktion wirken von vorne bis hinten absolut stimmig und zwingend. Und das ist ein Gütesiegel, was man leider nur selten vergeben kann.

Geboren wurde Ruthie Foster 1964 in Gause (Texas), wo sie mit den Gospelschallplatten im Schrank ihrer Mutter ebenso aufwuchs wie im lokalen Kircehnchor. Mit 19 Jahren leitete sie ihre erste Bluesband und studierte nebenbei Musik und Tontechnik. Nach Ende des Studiums trat sie der Navy bei, um der Kleinstadt zu entkommen. In San Diego war sie eigentlich für die Wartung von Hubschraubern zuständig. Doch schnell engagierte man sie für die Band „Pride“, die bei Werbeververanstaltungen für die Navy Funk spielte. Später wurde sie auch noch Mitglied des Commodores Jazz Ensembles in Norfolk.

1990 war ihre Dienstzeit bei der Navy vorbei und Ruthie Foster zog nach New York, wo sie mit ihrer Gitarre regelmäßig in Folkläden auftrat. Irgendwann bot ihr Atlantic einen Plattenvertrag an und ließ sie auch als Songwriterin für andere Künstler des Labels arbeiten. Allerdings wollte Atlantic aus Foster eine Popsängerin machen und sie hatte darauf keine Lust. So kam es nicht zu der geplanten Plattenveröffentlichung. Foster war inzwischen verheiratet und wieder geschieden, als ihre Mutter in Texas schwer erkrankte. So gab sie die Musik zunächst auf und zog zurück in die Heimat, wo sie ihre Mutter jahrelang pflegte. Daneben arbeitete sie als Kamerafrau und Produzentin für einen kleinen Fernsehsender. Außerdem trat sie solistisch und später mit der Sängerin und Percussionistin Cyd Cassone im Duo in Clubs der Gegend auf.

1997 veröffentlicht Foster im Selbstverlag ihr Debüt „Full Circle“, was schnell die Plattenfirma Blue Corn Music auf den Plan ruft. Die Sängerin lässt sich – beeinflusst von den Erlebnissen mit Atlantic – von vorn herein größte Mitspracherechte bei den Plattenveröffentlichungen einräumen. Ab 1999 erscheinen jetzt in schöner Regelmäßigkeit Alben, die den Weg von der akustischen Folk-, Gospel- und Bluessängerin hin zum Soul und zum zeitgenössischen Elektrischen Blues zeigen. Ihnen allen ist eines gemeinsam: Egal ob Foster eigene Lieder oder Fremdmaterial interpretiert – sie tut das immer mit einer Intensität und Leidenschaft des in der Kirche aufgewachsenen Kleinstadt-Mädchens. Und mit der Glaubwürdigkeit einer Predigerin: Leidenschaft und Glaubwürdigkeit – nicht das Schielen nach Markttauglichkeit oder Zielgruppenorientierung – machen Soul und Blues auch in der Gegenwart noch zu einer der Musik, die mehr als lebendig ist. Auch wenn ihre eigentliche Hochzeit schon seit Jahrzehnten offiziell vorbei ist. Ruthie Foster gehört außerdem mit Musikern wie den Blind Boys of Alabama. Lurrie Bell oder auch dem Bluesrocker Walter Trout zu den Musikern, die es schaffen, den christlichen Glauben in ihrer Kunst wie selbstverständlich eine Rolle spielen zu lassen.

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