Am 18. Oktober 2012 standen sie mal wieder gemeinsam auf einer Bühne: Der texanische Bluesrocker Tony Vega und der deutsche Gitarrist Dr. T. (Thomas Hunfeld) sind so unterschiedlich, wie Bluesgitarristen heute nur sein können. Und doch harmonieren die Freunde live hervorragend.

„Ich bin Tony, das ist Vega – und die sind die Band.“ Das war natürlich ein Witz. Auf der Bühne in Kaschow stand am 18. Oktober 2012 zunächst nicht Tony Vega mit seinem Trio. Die waren zu der Uhrzeit noch irgendwo unterwegs zwischen Crimmitschau und Vorpommern. Dort hatte ihr Bandbus den Geist aufgegeben und konnte auch nach stundenlangen Reparaturversuchen nicht wiederbelebt werden. Aber zum Glück fand sich jemand, der ihnen ein Auto lieh, mit dem sie sich mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung Norden begeben konnten. Allerdings nur mit ihren Gitarren bewaffnet. Die Anlage und der Rest der Instrumente blieb in Sachsen zurück. Aber mit Dr. T. leben ja zum Glück langjährige Freunde in der Region, die nicht nur die Anlage zur Verfügung stellen konnten, sondern auch gleich als Vorband einsprangen.

Und das bedeutet im Normalfall: Relaxter Gitarrenblues mit jeder Menge Jazz und Anklänge an JJ Cale oder Eric Clapton: Dr. T. hält nicht viel davon, nach vorne loszurocken. Der Arzt und Gitarrist legt sich mit seiner Band (Schlagzeuger/Bildhauer Thomas Reich und Bassist Udo Grieahn) auf keine Setlist fest und spielt aus dem Augenblick heraus. In dem Fall wollte er einfach nur ein wenig „Lift-Musik“ machen, um die Pause zu überbrücken, erzählt er nach seinem Auftritt. Doch während Fahrstuhl-Musik eher nervt und einen das Ende der Fahrt herbeisehnen lässt, sorgte der Auftritt des Doktors bei den Besuchern in der reichlich sterilen Festscheune irgendwo zwischen Grimmen und Stralsund für sichtbar gute Laune: Improvisierter Jazz-Blues mit Titellängen immer irgendwo bei zehn Minuten? Die mit dem eingeflogenen Pianisten Ludger Wirsig verstärkte Band ließ dabei keine Langeweile aufkommen. Bei den Solos spielten sich die Musiker Ideen zu und hatten hörbar und sichtbar Spaß dabei. Und wer meine immer wiederholte Behauptung, Hunfeld sei einer der besten Bluesgitarristen Deutschlands, nicht glauben mag: In Kaschow wollte mir da niemand wiedersprechen. Höchstens der Dr. selbst. Aber der ist einfach einer der bescheidensten Musiker, der mir je begegnet ist. Und er hat eigentlich kaum ein Interesse daran, Starruhm zu erlangen.

Gegen neun dann der Wechsel auf der Bühne. Ohne Soundcheck und Vorbereitung gingen Tony Vega (g, voc), Theo Thumper (dr) und Bassist Maarten „Hills“ van Heuvelen auf die Bühne und machten von Anfang an gewaltig Druck (und Lautstärke). War Vega vor zwei Jahren bei seinem Album „Dog Gone Shame“ noch deutlich seine Herkunft vom Heavy Metal anzuhören, präsentierte er sich in Kaschow als gereifter Texas-Bluesrocker par excellence: Eine Gitarre irgendwo zwischen Albert King, Albert Collins und Stevie Ray Vaughan, rockende Boogierhythmen und keine Atempause. Die früher von mir kritisierte Kälte war verschwunden. Musiker und Besucher waren sich schneill einig darin, gemeinsam eine Party zu feiern. Daran konnte weder der nicht ganz klare Sound (dafür ist des Doktors Anlage eigentlich nicht ausgelegt) noch die Bahnhofshallen-Atmosphäre der Location etwas ändern. Und schon nach wenigen Titeln wurde das Trio verstärkt, als Dr. T. die Bühne betrat: Und hier begann es eigentlich erst richtig großartig zu werden. Denn wo Vega eben der gradausrockende Blueser aus Houston ist, da treibt ihn Hunfeld mit seinen jazzig-swingenden Einwüfen in neue Bereiche vor. Und Vega lockt den Doktor aus der relaxten Zurückhaltung und treibt ihn an. Hier sind zwei völlig unterschiedliche Gitarristen zu erleben, die aber genau das machen, was dem Blues heute oftmals fehlt: im gemeinsamen Musizieren verlassen sie die eingetretenen Pfade und brechen zu neuen Ufern auf. Die Bluesfans in der Region kennen das schon. Denn seit 2002 waren Vega und Hunfeld, die auch schon gemeinsam in Texas auf Tour waren, immer mal wieder in der Region gemeinsam zu erleben. Doch wer im Rest Deutschlands wohnt, dürfte wohl kaum in diesen Genuss kommen.