ray hymnalLieder für Himmel und Hölle, für Weltuntergang und den Abend im Striplokal – Ray Wylie Hubbard hat mit „The Grifter‘s Hymnal“ ein Meisterstück zeitgenössischer Rootsmusik zwischen Blues, Country, Folk und Punkrock abgeliefert.

„Was soll nach Tempest eigentlich in diesem Jahr noch kommen?,“ fragte mich letztens jemand. Und wirklich: Im Vergleich zu Dylans neuestem Album wirken viele neue Platten einfach belanglos oder gar langweilig. Um etwas zu finden, was man dem Maestro guten Gewissens an die Seite stellen kann, muss man ganz schön lange suchen. „The Grifter‘s Hymnal“ hat da den Test bestanden.

Ob Hubbard sich in „New Years Eve At The Gates of Hell“ drüber beschwert, dass er in der Hölle gelandet ist (eigentlich sei er ja gut gewesen, auch wenn er es nie so mit dem Kirchgang hatte) oder in Lazarus drüber philosophiert, wie schlimm das für einen Menschen sein muss, gleich zweimal zu sterben – hier ist ein Songwriter am Werke, der einen bissigen Humor mit heftigen Slide-Gitarren-Attacken und rauher Rocker-Attitüde kombiniert. Besonders eindrücklich der autobiographische „Mother Blues“, in dem er erzählt, wie er seines Vaters Auto verkauft, um einem Junkie eine Les Paul abzukaufen, mit der er dann in einem Stripclub spielt und eine Stripperin mit seiner Version eines Songs von Tony Joe White ins Bett bekommt. „Ask God“, ein düsterer Blues in Moll, macht deutlich, wie nahe Hubbard nicht nur an der Stimmung sondern auch am Geschichtenerzählen der frühen Blueser ist. Man kann hier Erinnerungen an Lightnin Hopkins oder Mance Lipscomb ebenso hören wie an den ganz frühen Lonnie Johnson. Aber dann ist diese Bluesreferenz in den Songs immer wieder gebrochen durch Sprachspiele, die man eher bei Rilke oder anderen Lyrikern erwarten würde. Wenn man aber seinen Ratschlag befolgt, und das Album laut aufdreht und auf sich wirken lässt, dann hört man einfach eines der verdammt besten Roots-Rock-Alben des Jahres.

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