Bis zur Reformation entwickelte sich die Musikkultur in Mecklenburg analog zu anderen Fürsten- bzw. Herzogtümern eher unscheinbar, jedoch in den folgenden Zeiten widerfuhr unseren Ahnen ein völliger Tiefpunkt, der die musische Entwicklung fast zum Erliegen brachte.
Relativ schnell hielt die Reformation des Dr. Martin Luther von 1517 in Mecklenburg Einzug. So gab Joachim Slüter kurz nach Veröffentlichung des ältesten bekannten niederdeutschen Gesangsbuches (1525) das sogenannte „Doppelte Gesangsbuch“ heraus, das auch die Lieder Martin Luthers enthielt. Nicht unerwähnt sollen in diesem Zusammenhang zwei Namen bleiben: der in Pommern wirkende Reformator Johannes Bugenhagen und der mecklenburgische Herzog Heinrich 5., der mit Martin Luther selbst in lebhaftem Briefwechsel stand. Männer, die durch ihr Engagement für die neue Auffassung von Theologie auch für die kirchenmusikalische Neubelebung wichtig waren. So wurden nicht nur neue Choräle gesungen; auch die mitunter anzutreffende Meinung mancher Reformatoren, die Orgel aus dem Gottesdienst zu eliminieren, ist zwar in letzter Konsequenz nicht umgesetzt worden; führte aber dazu, dass die Organisten auch außerhalb der Liturgie ihr Publikum durch Konzerte zu gewinnen suchten.
Beispielsweise sind mit den Abendmusiken von Dietrich Buxtehude entscheidende Schritte in Richtung öffentlicher Konzertmusik gegangen worden. Auch bei dem Heinrich Schütz -Schüler Johann Vierdanck, der an der Stralsunder Marienkirche wirkte, darf so etwas vermutet werden. Unterstützt wurden die Kantoren und oft recht gut bezahlten Organisten (siehe Vierdanck in Stralsund) bei Konzerten durch fest angestellte Ratsmusikanten und die sogenannten Türmer, so dass die Grenze zwischen weltlichem und geistlichem Musizieren nicht so scharf ausfiel wie man vermuten könnte.
Während des dreißigjährigen Krieges durchlitt Mecklenburg schlimme Zeiten: von schätzungsweisen 300000 Einwohnern sollen nur 50000 übrig geblieben sein; im Zuge der Auseinandersetzungen war das Land für kurze Zeit sogar komplett das Lehen Wallensteins. Wirtschaftlich und kulturell bedeutete der Krieg mit seinen Auswirkungen einen immensen Abschwung. Nur Rostock konnte paradoxerweise im sakralen Raum auf eine kurze Blütezeit verweisen – der über Deutschland hinaus geschätzte Daniel Friderici wirkte an der Marienkirche und als Kapellmeister aller Kirchen der Warnowstadt bis er an 1638 an der Pest starb. Schließlich kam auch noch ein Stadtbrand dazu, so dass es dann auch in der Hansestadt völlig bergab ging. Um 1680 ist über die Rostocker Türmer zu erfahren, soweit sie ihrer Dienstausführung überhaupt nachkämen, würden sie derart stümpern, dass es schädlich sei, ihnen zu zuhören. An der Marienkirche zu Rostock wirkte damals der Organist Qualmaus, der 1684 seiner Pflicht angeblich heimlich entwichen sei.
Nach dem letzten Hansetag 1669 verloren die angeschlossenen Städte schnell an ökonomischer und kultureller Bedeutung. So gelang es Rostock erst 1751 mit der Eröffnung des „Comödienhauses“ und der Durchführung „Winterkonzerte“ sechs Jahre später wieder musisch attraktiver zu werden.
Greifswald, ebenfalls Hanse- und Universitätsstadt, soll erst durch das Erblühen des Chorgesanges am Anfang des 19. Jahrhunderts im Rahmen der Georg-Friedrich-Händel-Verehrung eine größere Rolle gespielt haben. Angesichts der beschriebenen erheblichen Dellen in der kulturellen Entwicklung in Mecklenburg erstaunt es dann umso mehr, dass ab ungefähr 1830 das damalige Hoftheaterorchester Schwerin (später Mecklenburgische Staatskapelle) nennenswerte überregionale Ausstrahlung gewann.
Wie wenig aber unsere überlieferte Geschichte tatsächlich chronologisch kontinuierlich verläuft, möge das Beispiel des Arztes und Alchemisten Michael Maier, der u.a. an der Rostocker Universität studierte, verdeutlichen. Er schrieb Fugen, d.h. er war musikalisch gebildet, war auch Philosoph und Schriftsteller und hatte eine verblüffende internationale Ausbildungs- und Reiseerfahrung: neben Padua, Basel, Prag sei auch ein Aufenthalt in England in diesem Rahmen erwähnt. Geboren wurde er in Kiel, als Sterbeort gilt Magdeburg. Offensichtlich verstand er es den Seuchen seiner Zeit ebenso aus dem Weg zu gehen wie den zahlreichen religiösen bzw. kriegerischen Auseinandersetzungen.
{module MartinStein}