CoverManuela Fuelle – Fenster Auf, Fenster Zu

  • Verlag: Klöpfer + Meyer GmbH + Co. KG (22. August 2011)
  • ISBN-10: 386351016X
  • ISBN-13: 978-3863510169

Schon gehört? Lydia hat endlich ihren Roman geschrieben. Seit Jahren schon hatte sie das immer wieder angekündigt. Das war nach der Zeit, als wie in Greifswalder Studentenbuden Kierkegaard gelesen und dabei Zappa gehört haben, angefeuchtet mit dem Rotwein, der grad in der Kaufhalle rumstand. Das war nach unserer zumindest für uns legendären Gründung der Societät Teutscher Transzendenten. Das war nach dem 11. November 1989, als wir stilvoll in Anzügen und Kleid den ersten Ausflug nach West-Berlin unternahmen und das Begrüßungsgeld in der Klokneipe in biergefüllte Pisspötte umwandelten. Irgendwann, als ich aus Greifswald fort und sie nach Berlin gezogen war, tauchte die Idee auf. Und sie blieb im Hinterkopf so wie die Idee, dass ich irgendwann mal eine Sammlung meiner Gedichte veröffentlichen würde. (Aus der Idee wird zum Glück nie mehr etwas werden. Es sei denn, jemand findet die die Manuskripte nach Jahrhunderten auf einer Müllhalde.) Aber Lydia hat es tatsächlich gemacht.

"Fenster auf, Fenster zu" heißt der Roman. Und darin erzählt sie – wovon sollte man sonst eigentlich erzählen, wenn man nicht über angelesenes oder fremderzähltes berichten will – von der Familie. Genauer eigentlich erzählt sie von sich und besonders von ihrem Vater. Berichtet von chaotischen Verhältnissen in der Kindheit, von gegenwärtigen Assoziationen, von Reisen durch Orte und Erinnerungen. Manchmal fühlt man sich beim Lesen an die endlosen Tiraden von Thomas Bernhard erinnert, manchmal kommt einem die kauzige Sprache von Wolf Haas in den Sinn. Doch immer wieder werden solche Assoziationen gebrochen von der Autorin selbst, die es sich nicht nehmen lässt, den Leser direkt anzusprechen, ihn über ihre nächsten Vorhaben zu informieren. Manchmal nutzt sie den Roman auch, um sich selbst zu neuen Sätzen und Erinnerungen aufzufordern.

Es ist das eine ungemütliche Welt dieser Erinnerungen, wirkt die Erzählerin so ganz anders, als ich sie in meinen Gedanken wieder aufleben lassen kann. Es ist eine gar seltsame und irgendwie kauzig-kaputte Familie vor und nach der Wende (die im Buch eigentlich kaum eine Rolle spielt, wenn man die Entwicklung des Marktes von lohnenden Immobilien in Sachsen oder anderswo mal außer acht lässt). Und gleichzeitig ist diese gebrochene und unromantische Welt  dann doch eine, wo man sich immer wieder ertappt fühlt: Kindheitsbilder sind halt so unterschiedlich doch nicht. Und die über Jahre antrainierte Entfremdung vom Elternhaus und der Familie lässt sich nachfühlen.

Lydia hat ihren Roman geschrieben. Jetzt nennt sie sich offiziell dann doch Manuela Fuelle. Und "Fenster auf, Fenster zu" ist ein Roman geworden, zu dem man kaum Zappa hören kann. Der Rotwein dürfte dazu noch immer schmecken. Doch die Jugend, die Studentenzeit, die gemeinsamen Erinnerungen wehen nur manchmal durch die Zeilen. Und das ist wahrscheinlich auch besser so. Denn so können auch andere sich an der ruppigen Sprache der Autorin erfreuen, an ihrer so seltsam verqueren Familiengeschichte. Aber eine Rezension sollte doch lieber jemand anderes schreiben….