Mollnitz in der Priegnitz ist ein kleines Gutsdorf. Seit 1946 ist es in Bresch eingemeindet, was wiederum zur Gemeinde Pirow gehört. Unter dem Namen Martin Mollnitz veröffentlichte die „Wasser-Prawda“ eine Polemik und vier Gedichte. Dass der Autor ein Pseudonym nutzte, war anfangs nicht bekannt, wurde aber in der Debatte für einige schnell zu einem entscheidenden Kritikpunkt.Darf man ein Pseudonym einfach offenlegen? Oder muss man den Wunsch des Autors, sich hinter einem angenommenen Namen zu verstecken, respektieren?

Als in Greifswald Anfang der 90er Jahre die heute als „Moritz Magazin“ bekannte Studentenzeitung entstand, da suchten die Redakteure nach einer Möglichkeit, Kneipentests und ähnliche Aktionen zu machen, ohne sofort in der Szene bekannt zu sein. Das war die Geburt von Nathan Nörgel. Dieser Mensch mit dem sprechenden Namen war ein kollektives Pseudonym. Jeder Redakteur, der entsprechende Artikel schrieb, konnte ihn benutzen.

In den Zeiten des Internet mit seinen vielfältigen Decknamen, Nicknamen etc. haben wir bei der Wasser-Prawda Nathan Nörgel wieder von den Toten erweckt. Noch immer ist es ein Pseudonym, auch wenn heutzutage eigentlich nur noch eine Person unter dem Namen schreibt. Und zwar genau dann, wenn er seine Kritiken etwas heftiger gestalten will. Allerdings hat sich Nathan Nörgel inzwischen eine quasi eigene Existenz erworben. Selbst Post kommt inzwischen an ihn an. Und das liegt einfach daran, dass viele Künstler und Plattenfirmen nicht wissen, dass es ein Pseudonym ist. Aber auf Nachfrage stellen wir als Redaktion gerne klar. Nathan Nörgel hat nicht die Chance, unter dem Schutz seines Pseudonyms irgendwelche Verstöße gegen das Presserecht zu begehen. Dieses Pseudonym ist daher inzwischen so löcherig wie Schweizer Käse. Aber aus alter Gewohnheit wird Nörgel weiter hier schreiben.

Einmal in meiner Karriere als Journalist bestand ich darauf, einen Artikel nur unter Pseudonym zu veröffentlichen. Denn ich hatte Angst davor, dass mein realer Name in Kreisen der rechten Szene noch bekannter werden könnte. Ich war bei den Recherchen einigen Leuten zu nahe gerückt. Also teilte ich das meiner Redaktion mit. Und damit war klar: der Artikel würde nicht sofort mit mir in Verbindung gebracht werden können. Aber ich stand weiter für die Korrektheit desselben der Redaktion gegenüber gerade.

Martin Mollnitz ging leider einen anderen Weg und trat von Anfang an unter Pseudonym uns gegenüber auf. Als er es dann uns gegenüber lüftete, ging unsere Begeisterung schlagartig zurück. Aber wir hielten uns zurück und wahrten den Decknamen. Zwei Gründe führten zum Verschwinden der Begeisterung: Einerseits die Tatsache, dass der Autor seit Jahren nicht nur in der Jungen Freiheit sondern auch zeitweise in anderen im rechtskonservativen Spektrum angesiedelten Blättern schreibt. Dabe bediente er sich genau der Sprache, dort üblich ist. Aber dann ist da noch das andere, für mich als Redakteur noch wichtigere: Es fehlt den Beiträgen von Herrn Mollnitz (oder da die Lyrikzeitung inzwischen das Pseudonym offen gelegt hat, können wir auch sagen: Bosselmann) die wirkliche Tiefe. Immer wieder werden in den Beiträgen gar witzig zu lesende Zustandsbeschreibungen der Gegenwart geliefert. Aber niemals wird darin wirklich nach Ursachen gefragt. Niemals werden wirklich gangbare Veränderungen angeregt. Es ist in den Texten ein einziges Stammtischgerede auf sprachlich hohem Niveau. Aber es sind keine Polemiken etwa in der Tradition eines Karl Kraus, die er verfasst.

Das war auch der Grund dafür, dass wir die „Neue Lyrik“ mit ein paar Gedichten ergänzten. Die vier von uns gewählten Beiträge wählten wir aus einer größeren Anzahl aus. Dabei kann man uns sicher Fehler vorwerfen. Doch unserer Meinung nach waren und sind das Gedichte, die ziemlich genau für den Stil und die inhaltlichen Schwerpunkte des Autors stehen.

Jetzt ist das Pseudonym geplatzt und nun steht die Frage: Ist das richtig gewesen? Kann man einem Autoren, der unter seinem realen Namen so in eine bestimmte Ecke gehört, die Chance auf eine neue literarische Karriere verbauen? Eigentlich hätte ich ja gesagt: Das kann man nicht tun. Doch als dann klar wurde, dass Mollnitz selbst ob direkt oder über enge Freunde die Leserbriefe zum Beitrag selbst verfasste, war ich echt – man verzeihe mir die Sprache – stinksauer. Es ist gegen jede journalistische oder sonstige Ethik! Wer so handelt, macht sich völlig unglaubwürdig. Und so hält sich mein Ärger über den Bruch des Pseudonyms in engen Grenzen.