In Deutschland gehörte der Trompeter Eddie Rosner in den 20er und 30er Jahren zu den absoluten Superstars. Mit Orchestern wie den Weintraub Syncopators tourte er durch Europa. Als Jude floh er über Polen in die Sowjetunion, wo er selbst Stalin beeindruckte. Später landete er jahrelang im Gulag, bevor er in den 50er Jahren nochmals zu einem der beliebtesten Musiker in der Sowjetunion wurde und in den 70er Jahren vergessen in Berlin starb. Zu seinem 100. Geburtstag 2010 erschien die erste Biografie des Musikers.

 

Adolph Rosner (1910-1976), der sich später Ady oder schließlich Eddie nannte, um den Assoziationen zu Hitler zu entgehen, war einer der ersten deutschen Jazzstars. Man nannte ihn zeitweise gar den weißen Satchmo – womit wohl nicht nur auf seine Virtuosität auf der Trompete sondern ebenso auf sein Talent als Showmaster angespielt wurde. Doch Rosner war Jude. Seine Familie war aus Auschwitz nach Berlin gezogen. Und bald nachdem er in Deutschland kulturell anerkannt war, begann unter den Nazis der Kampf gegen den Jazz.

„It didn‘t help being a Jew playing Negro music. Even if your name was Adolph.“ Ein Satz wie dieser bringt ziemlich genau auf den Punkt, wie in Nazideutschland die Situation vieler Musiker war. Jazz und Swing waren allerdings nicht nur in Deutschland sondern auch in Stalins Sowjetunion (und auch nach Stalins Tod) immer wieder von Kritik und Verboten betroffen. Wie sich das auf ein Musikerleben auswirkte, haben die Historikerin Gertrud Pickhan und der Musikjournalist Maximilian Preisler in „Von Hitler vertrieben, von Stalin verfolgt. Der Jazzmusiker Eddie Rosner“ exemplarisch dargestellt.

Vom europäischen Jazzstar hin zu einem gefeierten Westimport in Stalins Sowjetunion inklusive Orden und Privilegien und Tourneen mit eigenen Eisenbahnwagen könnte man die erste Etappe dieses Lebens zusammenfassen, in der Rosners eigenes Orchester 1938 in Paris sogar für die amerikanische Columbia ins Plattenstudio ging. Gefördert von Politikern wie dem weißrussischen KP-Sekretär Ponomarenko war er ziemlich bald Leiter des extra gegründeten staatlichen Jazzorchesters der weißrussischen Republik. Während des Krieges spielte er vornehmlich für die Truppenbetreuung aber auch ein (so nicht angekündigtes) Privatkonzert für Stalin. Das war eine der Zeiten, wo es Jazzmusikern in der Sowjetunion gut ging. Auch weil man ja im Kriege mit den Amerikanern verbündet war. Mit Beginn des Kalten Krieges änderte sich die Haltung mal wieder. Debatten aus den 20er Jahren kamen wieder auf. Jazz war wieder kapitialistische Unkultur. Und Rosner als Ausländer und Jude war verdächtig. Die meisten seiner Musiker wurden in einer großen Verhaftungswelle eingesperrt. Rosner versuchte vergeblich, die Ausreise in seine polnische Heimat zu bekommen und wurde wegen des Versuchs, illegal über die Grenze zu gelangen verurteilt. Zehn Jahre Lagerhaft lautete das Urteil. Selbst im Gulag konnte er allerdings musizieren und ging mit einem Lagerorchester auf Tour für die Bewacher anderer Lager.

Auch nachdem Rosner nach Stalins Tod wieder nach Moskau zurückkehren konnte, haftete ihm das Urteil weiterhin an. Zwar konnte er – jetzt wieder mit seinen alten Orden versehen – wieder ein Orchester aufbauen und knüpfte an die früheren Erfolge an. Geschickt nutzte er da die politischen Spielräume, um neben Werken sowjetischer Komponisten auch gerade erlaubte Jazzmusik aus den USA aufzuführen. Daneben tauchte sein Orchester in beliebten Filmen auf, deren Schlager zu großen Hits wurden. Aber irgendwann war das Interesse für den alten Star und vor allem für seinen Swingjazz beim Publikum und vor allem den Behörden nicht mehr wirklich vorhanden. Es folgten vernichtende Kritiken in Parteizeitungen und die Auftrittsmöglichkeiten wurden geringer. Irgendwann kündigte Rosner frustriert seinen Posten als Orchesterleiter und beantragte mehrfach die Ausreise nach Deutschland. Sämtliche Anträge wurden abgelehnt. Erst Duke Ellingtons erste Tournee durch die Sowjetunion, die quasi als Vorspiel für Nixons Besuch in Moskau galt, änderte die Lage. Rosner wurde erlaubt, in die USA auszureisen. Allerdings zog Rosner lediglich nach Berlin, wo er bis zu seinem Tod 1976 lebte.

Die Autoren haben für ihre Biografie nicht nur die spätrlichen Unterlagen zum Leben Rosners sondern auch die Erinnerungen von Zeitgenossen und Familienmitgliedern zusammengestellt. Doch ist ihnen bei aller Sorgfalt dabei bewusst, wie wenig sich aus solchen in ihrer Art immer verzerrenden Quellen eine korrekte Wiedergabe der Geschichte rekonstruieren lässt. Doch letztlich ist das weniger wichtig. Auch so erhält man den Einblick in ein Künstlerleben, das zwischen zwei Diktaturen zu zerbrechen drohte und das schließlich für etliche Jahre komplett in Vergessenheit geriet.

Eines der aus heutiger Sicht belastendsten Kapitel betrifft nicht die Zeit des Nationalsozialismus oder die des Stalinismus sondern Rosners Ankunft in Deutschland. Hier war es auf einmal nicht mehr eine Diktatur, die sich dem Künstler in den Weg stellte, sondern die deutsche Bürokratie. Durch mehrere Instanzen klagte Rosner auf eine Entschädigung als Verfolgter des Nationalsozialismus. Doch sämtliche Klagen wurden abgewiesen, weil die Anträge bis 1969 hätten eingereicht werden müssen. Lediglich eine Opferrente erhielt er die nächsten Jahre über, nachdem er in aller Ausführlichkeit zu seinen Lebensverhältnissen in der Sowjetunion hatte berichten müssen. Vom relativen Luxus einer Eigentumswohnung mit Steinway-Flügel und eigener Orgel kam er jetzt über kleine Wohnungen nicht hinaus. Und auch als Musiker war die Zeit mittlerweile über ihn hinweggegangen. Swing war einfach out in den 70ern. Und auch die Pläne für Jazzclubs, die er eröffnen wollte im alten Stil führten schnell in die Pleite. Auch die Aufzeichnung der Nachgeschichte, wie in den letzten Jahren in Russland, Deutschland und selbst den USA das Wirken Rosners neu entdeckt und gewürdigt wurde, ist eines der Highlights des gut geschriebenen Werkes.

Was dem Buch leider fehlt, ist eine Discografie aller Aufnahmen, die Rosner in Deutschland, Frankreich, Polen und der Sowjetunion gemacht hat. In den bislang greifbaren Discografien fehlen etwa die Einspielungen, die nach Rosners Entlassung aus dem Gulag entstanden sind. Und es ist auch nicht einfach herauszufinden, bei welchen Plattensessions von Weintraubs Syncopators Rosner nun als Trompeter dabei war. Dies sollte man bei einer eventuellen Nachauflage unbedingt nachbessern.

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