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In den letzten Wochen haben wir hier im Laden eine Menge ernste Gespräche führen müssen. Wie meist ging es irgendwie um Geld – oder besser darum, dass zu wenig da ist und zu wenig reinkommt. Solche Gespräche machen keinen Spaß. Und letztlich führen sie auch zu nichts anderem, als dass die Beteiligten am Ende verärgert, mutlos und völlig unkreativ sind. Mehr Geld kommt so nicht rein.

Natürlich ist es wichtig, sich immer wieder um sein Leben zu kümmern, immer mal wieder für Ordnung zu sorgen. Doch kommt man damit niemals wirklich an ein Ende. Und man sollte wissen, wie weit die eigenen Möglichkeiten und die seiner Freunde wirklich reichen.

„Die irdischen Güter“ hat eine Gottesdiensthilfe das Thema für den heutigen Sonntag umschrieben. Das meint: Was ist wirklich wichtig? Um was sollen und dürfen wir uns kümmern? Und was sind die Dinge, um die wir uns wirklich keine Sorgen machen brauchen und sollen? Bei den Texten, die hier vorgeschlagen sind, da sind solch bekannte Verse wie „Seht die Vögel unter dem Himmel“ oder auch des aus dem Paulusbrief an die Galater: „Einer trage des anderen Last“. Große Gedanken, bekannte Texte. Doch ich hab das Gefühl, dass ich zumindest noch weiter zu den Grundlagen des Glaubens zurück gehen muss, um das Thema für mich selbst in die richtigen Relationen zu setzen. Und das meint: Zurück zum Anfang. Zurück zum Ursprung. Und in gewisser Weise: Zurück ins Paradies. Denn dorthin bringt uns der Text aus dem 1. Mosebuch im 2. Kapitel:

2,4 So sind Himmel und Erde geworden, als sie geschaffen wurden.

2,5 Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte. Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute;

2,6 aber ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land.

2,7 Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.

2,8 Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte.

2,9 Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.

2,15 Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, daß er ihn bebaute und bewahrte.

Zurück zum Anfang meint: Zu den Fragen wo komme ich her, wo liegt der Grund dafür, dass ich existiere? Die Bibel meint hier: Der Anfang liegt da, wo Gott ins Spiel kommt. Der Anfang liegt nicht im Nebulösen. Den Anfang ist im Paradies. Wobei Paradies eben nicht die unberührte Natur, die Reste von Urwald oder die tropische Insel mit dem unberührten Palmenstrand meint sondern einen Park, eine gepflegte und gebändigte Natur. Und hier ist es, wo Gott anfängt. Wo er mit Arbeit anfängt. Und wo auch der Mensch, den Gott geschaffen hat, mit Arbeit beginnt.

Das Paradies – nicht der Ort des süßen Faulenzens, nicht das Schlaraffenland, wo einem die gebratenen Tauben in den Mund fliegen. Das Paradies: ein Ort der Arbeit. Aber eben auch ein Ort, wo Gott und Mensch ganz eng beieinander sind. Ein Ort, wo der Mensch dank Gottes Wirken überhaupt erst entsteht.

Adam erwacht. Der Atem Gottes hat sein Herz in Gang gesetzt, der Kreislauf beginnt zu kreisen, das Gehirn beginnt zu hirnen, die Augen beginnen zu sehen, und Adam sieht sich um: Wo bin ich hier? Und Gott sagt ihm: Dies ist dein Ort, hier ist der Lebensraum für dich, ich war’s, der dich hier hineingestellt hat. Es ist alles bereit. Hier ist die Hacke, ich gebe den Regen, denn Regen bringt Segen, aber ohne Furche versickert der Regen und erodiert den Boden, deswegen die Hacke, denn ohne Hacke keine Furche.

Und nun also los! Mach den Boden bereit, da hinten ziehen schon die ersten Wolken auf. Lebe! Lebe, indem du arbeitest und die Früchte einfährst! Bebaue! Bewahre! Gestalte! Mach nicht mehr als nötig, sonst laugst du den Boden aus! Mach nicht zu wenig, sondern kommt die Wüste wieder! Leben sollst Du – in dem und mit dem, was um dich herum ist! Leben und Arbeiten – nicht Arbeiten ohne Unterlass und ohne Muße.

Die Arbeit ist für den Menschen da. Das war damals und ist heute nicht selbstverständlich. Unsere Ur-Geschichte ist in Babel aufgezeichnet worden. Da saßen die Israeliten in der Verbannung und arbeiteten ihre Beziehungsgeschichte mit Gott auf. Und sie taten das mit den reichen Geschichten ihrer, sagen wir mal: Gastgeber im Ohr. Und in Babel erzählte man sich, dass der Mensch erfunden wurde, damit die Götter nicht mehr selber schuften mussten. Stattdessen sollte der Mensch all die niedrigen Arbeiten machen, und zwar für die Götter und ihr Wohlleben. Nein, sagten unsere israelitischen Exilanten an den Bächen Babels: Gott gibt den Menschen die Arbeit für sie selbst. Um des Menschen willen soll der Mensch die Erde bebauen und bewahren.

Wer heute Arbeit – einen bezahlten Beruf – hat, der kann vor lauter Hektik oft schon kaum mehr aus den Augen schauen. Immer mehr wird die Uhr, das Telefon und das Internet zu einer ständigen Verlängerung der Arbeitszeit bis hinein in den Abend, das Wochenende, den Urlaub genutzt: Sei froh, dass du einen Job hast. Es gibt genügend andere, die sich nicht so albern haben. Streng dich an, gib alles – die Arbeit nimmt kein Ende: Wie kannst Du dann einfach Pause machen wollen?

Die Götter damals, die sich notgedrungen ein paar Menschen hielten, damit sie selbst sich nicht mehr die Finger schmutzig machen mussten; der Gott Mammon heute, der seine Arbeiter-Menschen zwar nicht mehr ganz so herablassend behandeln kann, der ihre Arbeit aber immer noch so gering wie möglich bezahlt, um den Ertrag so hoch wie möglich zu halten.

Deswegen dürfen wir auch heute eine solche Ur-Geschichte hinein in unsere Arbeitswelt reden lassen, eine Ur-Geschichte aus paradiesischen Zeiten, in denen von Globalisierung und shareholder value noch keine Rede war. Und dürfen sie sagen lassen: Der Wert der Arbeit besteht darin, dass sie den Menschen und seine Umwelt leben lässt – nicht irgendwelche Götter von damals oder heute versorgt. Und als solche gehört Arbeit zum Wesen des Menschen dazu, darf sich der Mensch nicht der Arbeit verweigern und darf ihm die Arbeit nicht verweigert werden.

Wenn Gewerkschaften oder Parteien die Rede vom „Recht auf Arbeit“ in den Mund nehmen, dann ist sofort das Geheul groß: Sowas ist kommunistische Propaganda, die mit den Gesetzen der Wirtschaft und des Marktes nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Wer sowas fordert, kann auch gleich den Fünfjahresplan wieder einführen und die Einheitsliste der Nationalen Front zur Wahl antreten lassen: Das hat mit unserer Gesellschaft nichts zu tun!

Doch wenn ich in den letzten Jahren etwas immer wieder gemerkt habe, dann das: Wenn ich keine Arbeit habe, wenn ich nicht weiß, was ich mit meiner Zeit, meinen Fähigkeiten anfangen soll, dann werde ich regelrecht krank. Ich kann nicht lange faul auf der Haut liegen. Ich will und muss etwas tun können. Und eigentlich will ich auch, dass jemand meine Arbeit würdigt und mich dafür angemessen bezahlt. Denn damit wird mir klar, dass meine Arbeit was wert ist.

Unser Leben. Und wir merken immer wieder: Wir sind jenseits von Eden. Es läuft nicht mehr alles so einfach rund, hier ist die Hacke und das reicht zum Gelingen. Arbeit und Leben machen auch Mühe. Auch unsere Ur-Geschichte hier erzählt das dann bald, die Geschichte vom verlorenen Paradies. Aber was wir aus Eden mitgenommen haben, das ist unsere Bestimmung. Sie gilt auch unter den Bedingungen von heute. Sie gilt für die große Politik wie für unser kleines Leben, und sie stellt uns vor eine Herausforderung, nämlich die Augen aufzuschlagen, sich umzusehen und zu sehen – dein Leben! Und wie wäre es dann zu sagen: „Nun gut, Gott, hier stehe ich also in dem, was mein Leben ist. Hast Du jetzt auch eine Hacke für mich?“

Und wo die Bestimmung und Berufung gilt, da gilt auch die Verheißung. Der, der sagt: „Bebaue! Gestalte! Bewahre!“, der gibt auch den Regen, und schon steigt der Tau auf und benetzt Deine Welt und macht alles bereit. Das meint: um viele Dinge, um die entscheidenden Dinge muss ich mir eigentlich keine Sorgen machen. Ich bin hier nicht allein am Werken. Das Paradies, das ist der Ort, wo Mensch und Gott zusammen arbeiten. Es gibt eine Arbeitsteilung. Und jeder ist in der Lage, das Richtige zu tun, ohne daran kaputt zu gehen.

Wenn also die Gespräche ums Geld, um die Zukunft, um die ganzen gelungenen oder schiefgelaufenen Pläne wieder anfangen, dann kommt bei mir der Punkt, wo ich mich innerlich aus der Debatte zurückziehe. Ich will mich nicht andauernd streiten um Dinge, die sich meinem Einfluss entziehen. Ich hab auch kein Interesse daran, dass ich andere immer wieder an meiner Unzufriedenheit teilhaben lasse und sie damit unter Druck setze. Das bringt nichts außer Scheitern. Das ist der falsche Weg. Der richtige ist: Hier ist die Hacke, hier der Boden – vor dem Regen sollte das Beet fertig sein. Und dann wird es auch eine Ernte geben.

Oder übersetzt: Jetzt ist genau der eine Text zu schreiben, die Predigt für den Sonntag oder die Ankündigung der Veranstaltung am Mittwoch. Und wenn das getan ist, dann kann man auch durchatmen und sich auf den nächsten Tag freuen. Und sich nicht schon im Detail ausmalen, was dann alles schief gehen könnte. Es hängt nicht alles an mir. Klar: Ich habe zu arbeiten. Aber nicht ich alleine. Und letztlich – wie es der Psalm so schön auf den Punkt bringt: Wo Gott nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wenn der HERR nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst. Ohne Ihn können wir nichts ausrichten. Und das ist die größte Entlastung, die größte Befreiung, die ich mir vorstellen kann für heute und jeden Tag. Mit Gottes Hilfe arbeiten – das ist auch hier und heute ein Stück Paradies. AMEN.

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