Immer mal wieder gibt es Musiker, deren Einfluss auf die Entwicklung der Musik größer ist, als ihre veröffentlichten Werke glauben machen wollen. Der bereits mit 16 Jahren verstorbene Pianist Hersal Thomas (1910-1926) etwa hat kaum Aufnahmen unter eigenem Namen hinterlassen. Und dennoch zählt der aus Houston stammende Musiker zu den Begründern des Pianoblues in Chicago.

Geboren wurde Hersal Thomas entweder 1909 oder 1910 in Houston (Texas) als jüngstes von insgesamt 13 Kindern einer äußerst musikalischen Familie. Sein Vater war Diakon in einer Baptistengemeinde. Und die Kinder wurden schon früh in der Kirche beim Chor oder auch an Klavier und Orgel eingesetzt. Hersal lernte das Klavierspielen schon früh von seinem 25 Jahre älteren Bruder George Washinton Thomas Jr. Der war Komponist von solchen Songs wie „Muscle Shoals Blues“ oder „New Orleans Hop Scop Blues“. Auch wenn der Bruder älter war, wurde er doch schon ziemlich bald von Hersal ausgestochen.

Bekanntestes Mitglied der Familie Thomas war allerdings Beulah „Sippie“ Wallace, eine der großartigsten Kolleginnen von Bessie Smith in den 20er Jahren und danach. Und Hersals Leben war von Anfang an mit dem seiner Schwester verknüpft. Schon als kleines Kind trat er mit ihr gemeinsam an den Straßenecken von Houston auf. 1915 zogen die beiden nach New Orleans, um dort beim älteren Bruder zu leben. Die drei traten in den Clubs von New Orleans auf und auch an den Theatern überall in der Region.

1923 schlossen sich die drei dem Auszug der Musiker in Richtung Chicago an. Verstärkt wurde das Trio mittlerweile auch noch durch Bluessängerin Hociel Thomas, eine Tocher von George. In Chicago schließlich wurde das Kind Hersal schnell zum gefragten Musiker überall in der Stadt. Seine Auftritte mit dem gemeinsam mit seinem Bruder geschriebenen Stück „The Fives“ brachte den Boogie Woogie endgültig in die Stadt und inspirierte nicht nur Jimmy Yancey sondern auch Meade Lux Lewis und Albert Ammons. Hersal trat nicht nur lokal in der Stadt auf, sondern ging auch mit Louis Armstong, King Oliver und Schwester Sippie Wallace auf Tour. Und im Plattenstudio begleitete er seine Nichte Hociel bei den meisten ihrer Aufnahmen.

1925 schließlich nahm mit „Hersal Blues“ und „Suitcase Blues“ seine einzigen beiden Soloaufnahmen auf Platte auf. Zuvor hatte er schon Klavierrollen mit seinen wilden Piano Blues eingespielt. 1926 war er mit Hociel und Louis Armstrong im Studio, wo „Deep Water Blues“, „Lonesome Hours“, „Listen To Ma“ und „G’wan I Told You“. Die ersten drei Songs könnte Thomas möglicherweise sogar selbst geschrieben haben. Denn auf für Schwester Sippie hatte er Lieder verfasst wie „A Jealous Woman Like Me“, „I Feel Good“ oder „Trouble Everywhere I Roam“ verfasst. Bei einigen Aufnahmen mit ihr war auch Louis Armstrong mit im Studio. Hersals letzte Studiosession war am 4. März 1926, wo er Lillian Miller bei ihrem „Kitchen Blues“ begleitete. 

Der Legende nach hatte der Teenager zu der Zeit schon jede Menge Bewunderrinnen. Und vielleicht war es auch die Beliebtheit bei den Frauen, die zu seinem frühen Tod führten. Den offiziellen Unterlagen nach starb er am 3. Juli 1926 bei einem Auftritt im „Penny’s Pleasure Palace“ in Detroit an einer Lebensmittelvergiftung. Da der Tod aber niemals offiziell untersucht worden war, halten sich seither Vermutungen, ein eifersüchtiger Ehemann habe den Kinderstar vergiftet.