Wiglaf Droste„Genug der Schmeicheleien“ verkündete Wiglaf Droste zu Beginn seiner Lesung am 5. März im Greifswalder Lutherhof. Laut der Vorankündigung waren Texte aus seinem aktuellen Programm „Am Nebentisch belauscht“ zu erwarten.

Und damit stieg der Satiriker auch ein – mit einer Betrachtung zur Sprachkultur deutscher Friseure im Sparadies. Witzig, pointiert und ziemlich großartig in seiner Beleuchtung des Sprachverfalls. Auch Abhandlungen über den Gerüstbauer als Irrweg der Evolution und die Unvermeidlichkeit von Dixieklos in der Sichtweite von Baustellen entsprachen dem, was man sich als Fan von einem Satiriker wie Droste erwarten konnte. 

Und dass er selbst einen schon 24 Jahre alten Text wie „Grönemeyer kann nicht tanzen“ aus der Schublade holte und in seiner unnachahmlichen Weise zelebrierte, war großartig. Zeitweise war auch sein Loblied auf den kommunistischen Dichter Peter Hacks noch ganz witzig zu hören, wenn auch die Folgerungen, dass der Rest der deutschen Literatur vom Range der Herren Grass, Walser und Reich-Ranicki eigentlich ein Fall für die Mülltonne wären, nicht wirklich schlüssig erschienen. Das ist im Rahmen einer satirischen Betrachtung durchaus noch gängig und angemessen.

Doch genug der Schmeicheleien. Denn eigentlich war Drostes Lesung für viele Besucher ein eindeutiges Ärgernis. Denn sobald er die Sicherheit des gedruckten und dank Lesebrille auch erkennbaren Wortes verließ und improvisierte, veränderte sich die gesamte Veranstaltung. Statt eines brillanten Satirikers sah und hörte man dann einen verbitterten alten Mann, der seine Ablehnung jeglicher Religion herauspalaverte. Dazu fühlte er sich bemüßigt, dass die Lesung statt im Koeppenhaus im Lutherhof stattfand. Luther sei dafür verantwortlich, dass es heute noch ein Christentum in Europa gebe, so seine nicht ganz von der Hand zu weisende Behauptung. Doch das ist nach Drostes Weltsicht kein Verdienst sondern kommt für ihn fast einem Verbrechen gleich. Und so schreckte er in der Folge nicht davor zurück, billige Scherze auf Margot Käsmann zu machen, den Dalai Lama als Lächeln ohne Inhalt zu betrachten und den Papst als Ergebnis eines Flaschendrehens unter Kardinälen zu verkünden. Und selbst die schon fast volksverhetzende Behauptung, Jesus sei ein schlimmerer Massenmörder als Stalin gewesen, war ihm nicht peinlich.  Auch wenn es ihm offensichtlich Spaß machte, möglichst viele Menschen vor den Kopf zu stoßen: Droste kann nicht improvisieren. Also sollte er es auch lassen.  Und Agnostizismus (den Droste für sich in Anspruch nimmt) hat mit pubertär anmutender Religionsfeindlichkeit nichts zu tun.

Wie peinlich Droste hier war, machte er dann selbst deutlich im Abschluss seiner Lesung. Denn hier brachte er einen Nachruf auf den von ihm hochverehrten Musiker Johnny Cash. Dass der Zeit seines Lebens ein gläubiger und ernsthafter Baptist (=Protestant) war, erwähnte er. Warum ihm dieser Mensch allerdings ebenso wichtig ist wie Hacks, vermochte er nicht zu vermitteln.  Da half auch das a capella vorgetragene Liedchen nicht mehr.