Nach dem Ende der Allman Brothers und von Grateful Dead wird die Tedeschi Trucks Band von einigen als derzeit beste Live-Band bezeichnet. Ihre zwei bisherigen Studioalben allerdings überzeugten nicht alle Kritiker gleichermaßen. Mit dem dritten Studioalbum „Let Me Get By“ dürfte sich das allerdings ändern.
 

Wer redet hier von Reduktion, von Downsizing? Die Tedeschi Trucks Band ganz sicher nicht. Mittlerweile ist aus der Truppe um Derek Trucks und Susan Tedeschi ein zwölfköpfiges Ensemble geworden. Neu an Bord ist jetzt beispielsweise Bassist Tim Lefebvre, der auch auf Bowies letztem Album zu hören war. Neben der Hornsection und einem dreiköpfigen Backgroundchor gibt es so gleich zwei Schlagzeuger. Schnell kann das im Studio zu überladenen Klangbildern führen. Doch – und das macht „Let Me Get By“ zu so einem überzeugenden Album – Derek Trucks hat als Produzent (bei einigen Songs gemeinsam mit Doyle Bramhall II) die Sache fest im Griff und schafft durchsichtige Klanglandschaften zwischen Southern Rock, Soul, Jazz und ein wenig Americana.

Erstmals hat die Band damit nicht nur die Produktion in eigenen Händen und nutzte auch Trucks eigenes Studio. Zum ersten Mal stammen alle Stücke auch aus der Band selbst. Und das ist der zweite Pluspunkt dieser Scheibe: Hier spielen Musiker Songs, die sie zuvor schon live auf der Bühne erproben konnten, und die sie sich nicht erst mühsam zu Eigen machen mussten. Zusammengehalten werden sie zumeist von Susan Tedeschis Stimme, die fast jeden Song zu einem Gospel machen könnte. Allerdings – und das wird Fans der alten Derek Trucks Band freuen: Endlich darf auch Mike Mattison mal wieder als Solist seine Stimme erheben. Bei dem von ihm mitgeschriebenen „Crying Over You“ vereinbart er klassischen Rhythm & Blues mit Country und Southern Rock und jeder Menge Southern Soul. Und wenn er gemeinsam mit Susan „Right on Time“ singt, dann wird klar: Hier ist ein Sänger, den die Band viel häufiger in den Mittelpunkt rücken sollte.

Musikalisch ist „Right On Time“ auch etwas, mit dem man eigentlich nicht gerechnet hätte: eine Nummer, die fast nach Dixieland klingt. Nur die Slide-Gitarre von Trucks hält die Nummer davon ab, ganz in die sonntägliche Bierzeltatmosphäre zu verfallen. Überhaupt merkt man dem Album die Lust der Musiker an, quer durch alle Stile zu spielen. „Crying Over You“ geht über in die Swamp Raga for Hozapfel, Lefebvre, Flute and Harmonium, einer orchestralen Nummer, die nicht nur ein wenig in der indischen Musik wildert.

Klar: Auch die bisherigen Alben der TTB hatten ihre großartigen Momente. Doch ich bekomme beim Hören von „Let Me Get By“ das Gefühlt nicht los: Jetzt sind sie endlich angekommen. So gut waren sie wirklich noch nie! Von dem Album gibt es auch noch eine Deluxe-Ausgabe mit Live-Aufnahmen, alternativen Mixen und paar Jamaufnahmen, die noch nicht wirklich reif für ein Album waren, aber als Ergänzung durchaus ihren Reiz haben. (Fantasy)