CoverWenn Blues als Medizin begriffen werden kann, dann könnte man Tab Benoit guten Gewissens als Doktor empfehlen. Ein Beispiel ist sein aktuelles Album „Medicine“, das elf Titel zwischen Louisiana-Blues, Cajun und Soul anbietet.

Es ist kurz nach dem ersten Jahrestag der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko. Nur noch selten kommen Nachrichten über das ausgelaufene Öl und über die milliardenschweren Schäden, unter denen gerade die Fischer und Bewohner der betroffenen Küstenregionen noch immer leiden. Und dann erscheint ein Song wie „A Whole Lotta Soul“ und ruft einem das wieder in Erinnerung. Tab Benoit zählt zu den Musikern, die ihre Lieder auch als Kommentare zum Zeitgeschehen jenseits der normierten Medien in Print und TV benutzen. Und so stellt er in dem Song eben die Frage, was uns eigentlich bleibt, wenn wir mit unserem Größenwahn  sämtliche Berge einebnen, die Küsten betonieren und die Flüsse zähmen. Letztlich, so der Sänger und Gitarrist, sind es doch auch die Landschaften, die ganz direkt oder mehr heimlich und verdeckt unser Denken und empfinden beeinflussen.

Für Benoit ist das die Küste von Louisiana ebenso wie die immer mehr bedrohten Bayous mit ihren versteckten Schönheiten, ist es das pulsierende Leben von New Orleans genauso wie eine immer mehr ins mythische entgleitende Vorstellung vom Mississippi als der Heimat des Blues. Gemeinsam mit bekannten Kollegen wie Ivan Neville an der Hammond-Orgel oder Anders Osborne an der zweiten Gitarre ist „Medicine“ mehr als ein traditionelles Bluesrockalbum. Denn Benoit lässt sich eben nicht wirklich auf einheitliche Klischeevorstellungen festlegen und nutzt für seine Songs den ganzen Bereich zwischen Soul, Rhythm&Blues, Blues oder Rock. Und in manchen Liedern klingt selbst die Musik der Cajuns noch durch, wenn etwa Michael Doucet mit seiner Cajun-Fiddel die traditionellen Klänge der französischsprachigen „Ureinwohner“ in Erinnerung ruft.

So ist das Album ein Werk, das man gerade in seinen ruhigeren Teilen als Droge gegen die Sinnlosigkeit und Hektik des Alltags einsetzen kann, wo einen Benoits Gitarre in Gegenden mitnimmt, die voller Schönheiten sind. Und in den rockigeren Teilen weckt die Scheibe die pure Lust am Leben als Party.