Ruy Castro: Bossa Nova – The Sound of Ipanema: Eine Geschichte der brasilianischen Musik

  • Verlag: Hannibal; Auflage: 1., Aufl.
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3854453671
  • ISBN-13: 978-3854453673

Heute kennt jeder „The Girl from Ipanema“ oder die „One Note Samba“ bzw Schlager wie „Schuld war nur der Bossa Nova“. Und wenn man auf einem Billig-Keyboard sucht, findet man in der Rhythmusabteilung garantiert den vorgefertigten Bossa-Nova-Rhythmus. Den weg dieser Kreuzung aus brasilianischer Musik und Jazz-Elementen aus Rio de Janeiro in die Allgemeinbildung beschreibt der brasilianische Journalist Ruy Castro in seinem 1990 in Brasilien erschienenem Buch. Monatelang hat er dafür Protagonisten, Fans und Produzenten befragt und daraus einen lebendigen und mitreißenden Text geschaffen, den man auch dann mit äußerstem Vergnügen lesen kann, wenn man die zahllosen Songtitel und Interpreten noch nicht sofort im Hinterkopf parat hat. Allerdings könnte die Lektüre dazu führen, dass man im Anschluss daran eine Menge Geld für den Kauf von Langspielplatten oder CDs ausgibt. Denn noch mehr lässt sich das Buch bei laufender Musik genießen.

Anders als etwa der doch eher „proletarische“ Rock & Roll oder die aus den Favelas stammende Samba war die Bossa Nova zunächst eine typische Mittelstands-Musik: Jugendliche, die Fans von Musikern wie Frank Sinatra waren, suchten nach ihrer eigenen Musik. Brasilien erlebte einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung, und seit 1956 gab es nach 20 Jahren Diktatur wieder einen demokratisch gewählten Präsidenten. Aufbruch, Optimismus und geradezu eine Gier nach Modernem prägten die Stimmung. Und hier kam die Art von Musikern wie Joao Gilberto, eine möglichst einfache Musik zu spielen, den Jugendlichen entgegen. Seine Art, den Sambarhythmus sanfter und jazziger zu gestalten – und Kompositionen wie die von Antonio Carlos Jobim fanden zunächst in der Boheme doch dann immer mehr in der Studentenszene und den Nachtclubs von Rio ihre begeisterten Anhänger. Und schon bald waren die Jazzmusiker aus den USA hellhörig. Als dann 1962 (teilweise auf Kosten der brasilianischen Regierung) in der New Yorker Carnegie Hall bekannte und unbekannte Musiker Bossa Nova präsentierten, markierte das den Beginn der internationalen Karriere dieser sommerlichen Musik. Nicht nur Frank Sinatra oder Ella Fitzgerald nahmen danach Alben mit der Musik Jobims auf. Selbst Quincy Jones konnte es sich nicht nehmen lassen, die Bossa Nova in ein Bigband-Korsett zu sperren. In Brasilien selbst spaltete sich die Bewegung danach aber ziemlich schnell auf in Kreise, die eher politisch engagierte Musik machen wollten und die Vertreter der Fraktion, denen die scheinbar naiv-unschuldige Stimmung der Musik wichtiger war als Bekenntnisse zu Landreformen, gegen die wieder herrschende Militärdiktatur oder ähnliches.