Pedro Mairal – Das fehlende Jahr des Juan Salvatierra
Verlag: Hanser (16. August 2010)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3446235590
ISBN-13: 978-3446235595
Originaltitel: Salvatierra
Rezensiert von Kristin Gora Juan Salvatierra hat im Kindesalter einen Reitunfall nur knapp überlebt. Er behält sein Leben, verliert jedoch seine Stimme. Er lernt, zu malen und beginnt im Alter von 20 Jahren, alles, was in seinem Leben geschieht, auf riesigen Leinwandrollen festzuhalten. Ein Werk mit einer vertikalen Grenze, aber keiner Horizontalen. Nach seinem Tod lassen sich nicht nur die einzelnen Rollen, sondern auch Anfang und Ende miteinander verbinden.
Für jedes Lebensjahr gibt es eine Rolle. Nur eine fehlt, als die Söhne Salvatierras sich nach dem Tode ihres Vaters seinem Werk zuwenden. Diese gilt es nun zu finden. Klingt wie eine Detektivgeschichte, ist aber keine.
Die Suche bringt den Sohn und Ich-Erzähler Miguel in die Häuser einer verschlossenen und misstrauischen Landbevölkerung, die irgendwie stehen geblieben zu sein scheint. Doch weder Miguel noch Mairal verweilen lange hier.
Pedro Mairal wartet in seinem Werk völlig überraschend mit einer Sprache der Distanz auf. Bei 39 Kapiteln auf 140 Seiten hat man das Gefühl, der Autor wolle dem Leser keine Chance geben, intensiver in das Werk einzudringen. Die Erzählbögen werden nur sehr langsam länger.
Der Roman erscheint als eine langsame Annäherung eines Sohnes an seinen Vater, mit dem er nie wirklich kommunizieren konnte. Selbst die letzte Geste auf dem Sterbebett hatten die Kinder falsch gedeutet.
So verwundert es nicht, dass der Vater nur mit seinem Nachnamen angesprochen wird und eher als Künstler erscheint, denn als Familienmitglied.
Es fallen Sätze wie „Die Tatsache, dass der Autor nicht präsent ist, sich nicht störend zwischen Werk und Betrachter schiebt, lässt diesem Betrachter eine größere Freiheit, es zu genießen.“
Erst sehr spät wird deutlich, dass Miguel diese Freiheit vor allem für sich selbst sucht:
„Die fehlende Strecke zu finden war etwas, das ich brauchte, damit das Bild nicht unendlich wäre. Fehlte eine Rolle, konnte ich nicht alles sehen, alles kennen, es würde weiter Ungewissheiten geben, Dinge, die Salvatierra womöglich gemalt hatte, ohne dass ich es wusste. Wenn ich die Rolle aber fand, dann gäbe es eine Grenze für diese Welt der Bilder. Das Unendliche hätte einen Rand, und ich könnte etwas finden, das er nicht gemalt hatte.“
Weniger wie ein Kreis als wie eine unendliche Spirale wirken Rückblenden in das Leben Salvatierras, die Suche nach der Rolle, die Beschreibung des Werkes und die Definitionsversuche der Vater-Sohn Beziehung.
Der Leser steht vor einem „leeren Stuhl“, wie Mairal es sagte. Doch wo soll er sich setzen?
Letztlich ist es die Sprache, die das eigentlich ruhige Werk zum Stolpern bringt. Zumeist kurze Sätze in einem etwas Zu sachlichen Stil. Keine uninteressante, aber doch etwas mühselige Lektüre.
Mairal wurde 1970 in Buenos Aires geboren und schreibt neben Romanen vor allem kurze Texte, die er auf einem Blog veröffentlicht.
Nach dem Roman „Eine Nacht mit Sabrina Love“ von 2002 ist jetzt „Das fehlende Jahr des Juan Salvatore“ in einer Übersetzung von Dagmar Ploetz im Hanser Verlag erschienen und kostet 14.90€.