Manche nennen ihn den „König des akustischen Blues“. Auch wenn man eher demokratisch gesinnt ist, muss man Otis Taylor doch als einen der musikalisch und textlich kompromisslosesten Blueskünstler der Gegenwart anerkennen. Mit seinem neuesten Album „Fantasizing About Being Black“ kehrt er wieder zurück zu engagierten Songs über die Situation der Farbigen von der Zeit der Sklaverei bis in die Gegenwart.

Die Musik ist rauh, roh, ungeschliffen. Otis Taylor singt über Mord, Heimatlosigkeit, Ungerechtigkeit, die Folgen der Sklaverei. Eigentlich für einen Bluessänger vor allem der früheren Zeiten eine nicht ungewöhnliche Themenauswahl. Doch Taylor ist ein Musiker der Gegenwart. Und da haben es sich die meisten in bequemeren Schubladen eingerichtet, singen mehr über Frauen oder ihren Verlust derselben, über Party und Alkohol als über politische und soziale Fragen. Und deshalb wird Taylor gern auch mit diversen Etiketten versehen: König des akustischen Blues, „der relevanteste Blueskünstler unserer Zeit“ (Guitar Player), „einer der innovativsten, zum Denken anregendsten Künstler, die in den letzten 20 Jahren erschienen sind“ (Billboard).

Otis Mark Taylor wurde 1948 in Chicago geboren. Nachdem sein Onkel erschossen wurde, zog die Familie nach Denver, wo sein Interesse an Blues und Folk unterstützt wurde. Seine beiden Eltern waren beide Musikliebhaber, Taylor wuchs daher zwischen Jazzmusikern auf. Viel Zeit verbrachte er am Denver Folklore Center, wo er sich als erstes Instrument ein Banjo kaufte. Und dort war es auch, wo er zuerst Country-Blues und im Besonderen Mississippi John Hurt hörte. Das war der Grund, weshalb er Gitarre und Mundharmonika zu spielen lernte. Und als Teenager gründete er seine ersten Bluesbands.

In den 60ern zog er für eine Weile nach London. Doch schon bald kam er zurück in die Staaten. Doch der Ausflug führte zu seinem nächsten Musikprojekt, der T&O Short Line mit dem Gitarristen Rommy Bolin (ex-Deep Purple). Doch weder das noch weitere Bands waren wirklich erfolgreich, so daß er 1977 seinen Abschied vom Musik-Geschäft nahm. Statt dessen war er als Antiquitätenhändler erfolgreich und trainierte ein Amateur-Rad-Team, das mit zwei farbigen Sportlern bald das vierterfolgreichste der USA war. Erst 1995 kehrte Taylor zur Musik zurück.

1997 erschien dann sein erstes Album „Blue Eyed Monster“, das mit seinen radikalen Liedern für Aufsehen in der Szene sorgte. Da war etwa ein Weihnachtslied über einen Jungen, der seine Eltern umbrachte. Nicht wirklich der traditionelle Bluesstoff für die Szene. Auch „When Negroes Walked the Earth“, seinem nächsten Album, sorgte er wieder für erhobene Augenbrauen: minimalistischer Blues in der Art von John Lee Hooker trifft auf einen radikalen Geschichtenerzähler.

Und dann erschien „White African“ im Jahre 2001. Jetzt endlich wurde Taylor über Insiderkreise hinaus wahrgenommen als eine wirklich bedeutende Stimme der farbigen Musik. Das Album bot äußerst persönliche und direkte Schilderungen seiner Erfahrungen als Farbiger in den USA. Da schilderte er den Tod seines Onkels ebenso wie das Lynchen seines Urgroßvaters. Brutalität, so die Quintessenz des Albums, ist das durchgehende Motiv in der Geschichte der Beziehungen zwischen den Rassen seines Landes. Das Album brachte ihm vier Nominierungen für den W.C. Handy-Award. Er gewann schließlich den Preis für das Beste Debüt eines neuen Künstlers. Nachfolgealben wie „Respect The Dead“ schlossen mit ähnlichem Erfolg an White African an. Wobei er für Truth is not Fiction“, sein erstes Album für Telarc, erstmals einen elektrischen Sound fand, den er selbst als Trance-Blues bezeichnet: Hypnotische, fast psychedelische Grooves treiben die Songs an.

„Recapturing The Banjo“ versuchte er sich an einer Rehabilitierung des Banjos im Blues. Hier spielt er unter anderem mit Alvin Youngblood Hart und Keb‘ Mo‘, zwei weiteren Vertretern des zeitgenössischen akustischen Blues zusammen. Gleichzeitig spielte er gemeinsam mit Gary Moore auf dessen letztem Album. Mit „Hey Joe Opus Red Meat“ setzte Taylor Jimi Hendrix ein musikalisches Denkmal. Und das ist genau die Spannbreite, in der sich Taylor muskalisch bewegt: zwischen ganz traditionellen akustischen Bluessounds, die auch an die afrikanischen Wurzeln dieser Musik erinnern, bis hin zu heftigen psychedelischen Bluesrocksounds mit immer wieder überraschenden Instrumentierungen.