Er kam gerade von einer Tour durch Europa zurück, als Michael Burks am 6. Mai 2012 auf dem Flughafen von Atlanta mit einem Herzinfarkt zusammenbrach. Auch im Krankenhaus konnte der 54jährige Gitarrist und Sänger nicht wiederbelebt werden. Gleich bei drei großen Festivals in den USA sollte er in den nächsten Wochen auftreten, um sein für den Sommer angekündigtes neues Album zu promoten. Jetzt hat Alligator „Show of Strength“ veröffentlicht, dass eines der besten Gitarren-Blues-Alben des Jahres 2012 ist.

In den Liner Notes zu Johnny Winters erstem Album „The Progressive Blues Experiment“ hieß es seinerzeit sinngemäß: Im Laufe der Aufnahmen wurde Winter eines mit seiner Gitarre. Diese Einheit eines Künstlers mit seinem Instrument, der Punkt, wo dem Hörer klar wird, dass hier einer mit seinem ganzen Herzen, mit all seiner Kraft in der Musik aufgeht, erlebt man meist eher in einem Konzert als bei Aufnahmen im Studio. Doch wenn es jemand dazu bringt, trotz des fehlenden direkten Kontaktes zum Hörer diesen Punkt zu erreichen, dann kann man das eigentlich nur noch als magischen Moment bezeichnen. Wenn etwa Michael Burks bei „Feel Like Going Home“ mit einer Intensität und Melancholie singt und seine Gitarre den im Nachhinein schon prophetischen Titel begleitet, dann meint man unwillkürlich: Hier und jetzt (das heißt: im Moment der Aufnahme) ist der Musiker für sich auch an ein Ende gekommen. Hier ist keine Resignation zu hören, aber eine melancholische Gewissheit und eine Bereitschaft, den nächsten Schritt zu gehen. Und dazu kann man nur sagen: Das ist Blues, wie er gemeint ist. Und gleichzeitig ist das die höchste Form der Kunst.

Wegen seiner langen Konzerte und der dabei gezeigten Ausdauer (und natürlich auch dem ständigen Touren von einem Club zum nächsten) nannte man ihn den „Iron Man“. Seit er 1997 sein Debütalbum selbst veröffentlicht hatte (und danach prompt von Alligator unter Vertrag genommen wurde) hat sich Michael Burks zu einem der wichtigen modernen Bluesmusiker entwickelt. Erst kürzlich meinte eine amerikanische Zeitung, er stehe kurz davor, zu einem Major-Star des Blues zu werden. 

Als Gitarrist stand Burks in der Tradition von Musikern wie Freddie und Albert King aber auch von Albert Collins – die ja nun auf ihre Art die Traditionslinien bis zurück in die Anfänge des elektrischen Blues zurück zogen. Doch hat er vor allem mit den drei bei Alligator veröffentlichten Alben „Make It Rain“ (2001), „I Smell Smoke“ (2003) und „Iron Man“ deutlich gemacht, dass er in den Jahren on the road zu einem eigenständigen Künstler gewachsen ist. Nicht umsonst war er 2012 für einen Blues Music Award als bester Gitarrist nominiert.

Geboren wurde er 1957 in Milwaukee als Blueser schon in der dritten Generation. Sein Großvater Joe Burks spielte in seiner Heimatstadt Camden und den umliegenden Juke Joints akustischen Deltablues. (Daneben arbeitete er als Friseur, Zimmermann und Flugzeugmechaniker.) Sein Vater Frederick Burks arbeitete jahrelang tagsüber in den Stahlwerken und spielte bei Nacht in den Bluesclubs der Stadt, wo er beispielsweise Sonny Boy Williamson II und andere durchreisende Bluesmusiker begleitete.

Schon klar, das Michael schon als Kind seine erste Gitarre zur Hand nahm. Wenn man den Pressetexten glauben will, war er damals grad mal zwei Jahre alt. Und sofort soll sein Vater ihm Unterricht gegeben haben. Gespielt hat er danach auf einer voll funktionsfähigen Gitarre in Kindergröße. Und schon mit fünf Jahren hörte sich Michael durch die Singles seines Vaters, der ihm dabei auftrug, welche Songs er lernen solle.Pro Song versprach er ihm einen Dollar, bis das ein empfindliches Loch in die Haushaltskasse riss. Später gabs nur noch Süßigkeiten als Belohnung. Doch das bremste den Lerneifer des Sohnes nicht und so konnte er mit sechs Jahren schon seinen ersten Auftritt mit der Band seines Cousins absolvieren, als die Familie grad in ihrer Heimait in Arkansas war.

Anfang der 70er Jahre zog die Famile zurück in den Süden nachdem ein Arbeitsunfall dazu geführt hatte, dass Frederick Burks nicht mehr Gitarre spielen konnte. Dort baute die Familie gemeinsam den Bradley Ferry Country Club, einen Juke Joint mit 300 Plätzen, auf. Michael spielte in dem Laden mit seiner eigenen Band und diente den durchreisenden Musikern als Begleiter. Johnnie Taylor oder auch O.V. Wright waren nur zwei der bekannteren. Das Geschäft lief jahrelang prima: Immer von Donnerstag bis Samstag gab’s Live-Musik im Club und Plätze in Bühnennähe mussten schon Wochen vorher reserviert werden. Mitte der 80er musste der Club dann aber doch geschlossen werden. Und Michael arbeitete als Techniker für den Flugzeugbauer Lockheed-Martin, zeitweise war er selbst mit der Herstellung von Raketenkomponenten beschäftigt. Doch es dauerte nur ein paar Jahre, bis er eine neue Band gründete und wieder Konzerte gab. Schnell wurde er nicht nur in der Umgebung sondern überall zwischen Kalifornien und dem Süden zu Festivals eingeladen. Zum Glück war sein Chef ein Bluesliebhaber und unterstütze ihn. Und Lockheed ging sogar so weit, Firmenkunden zu seinen Festivalauftritten zu fliegen als Teil der Kundenbetreuung.

1997 mit der Veröffentlichung des selbstproduzierten Debüts „From The Inside Out“ wuchs seine Bekanntheit in der Bluesszene dann noch mal rapide. „Living Blues“ zeichnete es als bestes Debüt des Jahres aus. Und 2000 erhielt er einen Blues Music Award als Best New Artist – auch wenn er zu dem Zeitpunkt schon vollkommen wieder als Musiker tätig war. Nachdem er bei Alligator 2001 „Make It Rain“ veröffentlicht hatte, gingen die Tourneen dann auch nach Europa und Australien. Seine unwahrscheinliche Power, die er auf der Bühne ob als Sänger oder als Gitarrist versprühte, wirkte ansteckend.

Die Aufnahmen für sein viertes Alligator-Album waren zum Glück schon abgeschlossen. Und mit Show of Strength stellte er nochmals unter Beweis, dass es momentan nur wenige Gitarristen gab, die es an Ausdruck und Energie mit ihm aufnehmen konnten.