Irgendwann einmal gehörte er zur Young Blues Generation, zur Zukunft des Blues in Chicago. Damals begleitete Gitarrist Lurrie Bell mit seiner aufregend funkigen Band noch seinen Vater Carey. Heute ist er selbst einer der Alten. Was aber nicht dazu führt, dass sein aktuelles Album „The Devil Ain‘t Got Music“ verstaubt klingen würde. Ganz im Gegenteil.
Also nochmal für alle zum Mitschreiben: Der Blues ist nicht die Musik des Teufels. Das ist eine Erfindung von Frömmlern, denen seit Jahrhunderten alles suspekt ist, was mit Spaß im Leben zu tun hat. Musikalisch gesehen kann man den frühen Blues und die Musik der schwarzen Kirchen sowieso nicht trennen. Musiker wie Rev. Gary Davis oder Georgia Tom Dorsey wussten das ganz genau. Auch wenn Dorsey später dem Blues abgeschworen hatte bevor er zum Vater der Gospelmusik wurde.
Was Lurrie Bell mit „The Devil Ain‘t Got Music“ eingespielt hat, dürfte eines der besten Gospelalben des Jahres sein. Oder aber man hört es als ein außergewöhnlich gutes Bluesalbum mit jeder Menge Gott drin. Und es ist eine persönliche Rückkehr Bells zu der Musik seiner Kindheit, die er bei seinen frommen Großeltern und in der Kirche verbracht hat. Es sind die bekannten Lieder von „Swing Low“ bis hin zu „Peace In The Valley“, die sich hier finden. Und es sind ein paar Rocksongs, die das Zeug dazu haben, in den nächsten Jahren zu Gospelklassikern zu werden. Etwa Tom Waits‘ „Deep Down In The Hole“ oder „Lo And Behold“ von James Taylor.
Wer jetzt allerdings glaubt, zu wissen, wie die Scheibe klingt, dürfte überrascht sein. Nicht umsonst hab ich das Album als ein Zwitterwerk bezeichnet. Hier ist ein Bluesman am Singen und Predigen und er nutzt diese Klänge für Gott, die er auch für den Tanz im Juke Joint verwendet, seine rauhe und groovende Gitarre, seine nur wenig vom Alter gezeichnete Stimme. Begleitet wird er dabei unter anderem von dem Kenny „„Beedy Eyes“ Smith am Schlagzeug. Und natürlich bei drei Songs von Joe Louis Walker. Und das sind die Höhepunkte. Denn hier sind zwei Bluesprediger zusammen, die noch jeden Sünder zum bereuhen bringen können. Einerseits ist da das Tradition „It‘s A Blessing“, das durch die Slide-Licks von Walker eine spirituelle Tiefe bekommt, die unter die Haut geht. Bei „Peace In The Valley“ kommt es zum Zusammenspiel von Walkers elektrischer Slide mit Bells Fingerpicking. Und man fragt sich, ob dieses Lied wirklich schon 1937 entstanden ist und nicht erst während der Sessions. Und bei Bells eigenem Song „Get To Heaven On My Own“ (nur Bells Stimme und seine Gitarre) spielt Walker die reagierende Gemeinde liefert mit seinem Händeklatschen den Rhythmus. Das ist Blues aus einem gläubigen Herzen heraus. Und das ist Musik, die auch Menschen berührt in ihrer Persönlichkeit und Direktheit, denen Gott eigentlich ganz egal ist. Hier singt einer, dem er nicht mehr egal ist.