Leser dieses Magazins wissen, dass ich zu Herrn Bonamassa immer eine zumindest zwiespältige Haltung habe: Respekt vor seinen Fähigkeiten als Gitarrist und Begeisterung für die gemeinsamen Projekte mit Beth Hart treffen auf Ablehnung der meisten Soloalben des ehemaligen Wunderkinds. Da war mir immer zu wenig Blues und zu viel großspurig aufgetragenes Rockertum. Und außerdem fehlte mir oft auch ein Produzent, der das Ganze in ein stimiges Gesamtbild brachte. Das ist hier schon mal nicht zu kritisieren: Das in Nashville und Malibu eingespielte „Different Shades of Blue“ wurde von Kevin Shirley druckvoll und doch durchsichtig produziert.
Die Überraschung kommt spätestens beim dritten Titel. Nach dem an Hendrix erinnernden Intro „Hey Baby“ und der vom Wechsel zwischen akustischer Ruhe und deftigsten Gitarrenexzessen lebenden „Oh Beautiful“ ist Bonamassa mit „Love Ain‘t A Love Song“ beim funkigen Soulbluesrock angekommen. Hier gibt es die fetten Bläser zur Gitarre hinzu und die Rhythmen beginnen zu tanzen. Auch „Living On The Moon“ setzt diese Linie fort. Für die Fans gibt‘s natürlich noch genügend Rifforgien und sägende Solos. Und selbst Bluespolizisten werden mit „I Gave Everything for You, Cept The Blues“ beruhigt: so einen Zwölftakter hätte ich von Bonamassa kaum zu hören gehofft. Selbst das Honky-Tonk-Piano passt genau.
Für mich ist „Different Shades of Blue“ eine Scheibe, die trotz einiger Schwächen meistenteils Spaß macht. Beinharte Fans werden vielleicht noch begeisterter sein.