Beim Blues- und Boogiepianisten Henning Pertiet ist man auf Überraschungen immer gefasst. Und (so man kein engstirniger Hörer ist, der nur auf die heiligen zwölf Takte lauert) man freut sich regelrecht drauf, von ihm Stücke zu hören, die kein Bluespurist in sein Programm aufnehmen würde: Jazzklassiker von Monk etwa. Aber auf sein aktuelles Album kann einen auch das nicht vorbereiten. „Organ Moves & Grooves“ ist frei improvisierte Musik an der Orgel des Doms in Verden.

Man spricht von der „Königin der Instrumente“. Und immer wieder haben sich im Laufe der Geschichte von Blues und Jazz Musiker daran versucht, den Klang der Kirchenorgel in ihre Musik einzubauen. Man denke etwa an Fats Waller. Oder auch an Keith Jarrett. Aber wenn man ehrlich ist: Gerade die pneumatischen Orgeln vom Anfang des 20. Jahrhunderts sind nicht wirklich in der Lage, zu swingen. Dafür sind sie nicht gebaut. Und die akustischen Verhältnisse der Kirchen, in denen sie stehen, verhindern das auch wirkungsvoll.

Sich als improvisierender Musiker ernsthaft mit der Orgel auseinander zu setzen heißt: Hier muss man Abschied nehmen von solchen Konzepten. Musik für die große Orgel – wenn sie sich nicht am polyphonen Barock-Erbe von Bach & Co orientiert, spielt sich eher in sich langsam entwickelnden Klanglandschaften ab, kann aus dem Jazz eher die spirituellen Anregungen etwa von Coltrane aufnehmen oder aus der zeitgenössischen Musik die modernen Komponisten der französischen Tradition.

Genau das hat Henning Pertiet auf seiner CD gemacht: Auch wenn die zwölf einzelnen Improvisationen als getrennte Stücke aufgeführt sind: Von Anfang bis Ende des Albums ist die Suche des Musikers nach immer neuen Klangmöglichkeiten, Melodie- und Rhythmusbögen zu erleben, wie sie sich im Rahmen einer mehrstündigen Aufnahmesession oder bei einem Improvisationskonzert ergeben: Hier werden spontan Melodien oder ganze Klangflächen aufgebaut, die durch sämtliche Register und Manuale der Orgel dahinflirren.

Das ist kein Jazz, hat auch selten etwas mit den im Titel erwähnten Grooves zu tun: Hier wird zwischen geistlicher Musik, Klangwelten der Klassik des 20. Jahrhunderts, diversen Verneigungen in Richtung der Romantik und des freien Jazz improvisiert. Darauf muss man sich einlassen wollen – und die nötige Ruhe und Konzentration dafür aufbringen. Dann kann einen Henning Pertiet mitnehmen auf eine faszinierende Klangreise.