Earwig Records glaubt eine Erläuterung dafür schuldig zu sein, mit „Out of the Box“ ein Album zu veröffentlichen, was eindeutig vom Bluesrock beeinflusst ist. Diese ist eindeutig unnötig. Denn was Guitar Mikey auf seinem Labeldebüt gemeinsam mit Gästen wie Billy Gibbons an der Bluesharp hier spielt, ist durch und durch bluesinfiziert. Und es rockt zuweilen wie die alten Led Zeppelin, als sie noch ne echte Bluesrockband waren. Nur dass ihnen der Kanadier eine gehörige Dosis Mississippi-Wasser in die Adern gespritzt hat.
Die Biografie von Mike McMillan alias Guitar Mikey könnte man auch gut als Reisebeschreibung veröffentlichen. Geboren in Kanada ist der Sänger und Gitarrist immer weiter gen Süden gezogen, um seinen Bluesrock zu spielen. Mittlerweile wohnt er seit 2006 ganz im Zentrum des Blues, in Clarksdale (Mississippi). Und auch wenn er sich selbst als Bluesrocker sehen mag, will er doch nicht einfach mit all dem in eine Box geworfen werden, was dieses Label trägt.
„Out of the Box“ (sein drittes Album insgesamt) macht das mit 15 selbstgeschriebenen und äußerst vielseitigen Nummern deutlich. Auch wenn Referenzen an Led Zeppelin deutlich werden, auch wenn ab und zu der Funk zuschlägt – insgesamt sind diese Lieder allesamt mehr Blues als der Großteil der sonstigen Bluesrockveröffentlichungen der letzten Monate. Für den „Rock“ im Bluesrock muss es für ihn immer eine Begründung geben. Der pure Überschuss an Testosteron im Organismus oder die Sehnsucht nach dem nächsten vertrackten Gitarrensolo reicht für ihn da nicht aus. Ok, seine Gitarre kann zuschlagen, gewaltig sogar. Und wenn Billy Gibbons in seine Harp bläst, dann ist das auch alles andere als weichgespült. Doch im Zentrum stehen Songs, die vom Feeling und dem Groove her im Mississippi-Delta beheimatet sind und nicht in britischen Jugendzentren der 60er und 70er Jahre. Ab und zu klingt auch der Soul aus Memphis auf („When Leo Starts To Growlin'“) und wird durch gastweise eingeladene Bläser auch gehörig abgefeiert. Muss man noch was sagen? Ach ja, der Name von Guitar Mikeys Band lautet „The Real Thing“. Und der ist durchaus zutreffend. Die Truppe ist derart aufeinander eingespielt, dass es selbst durch die Computerboxen noch voller Druck rüberkommt.
Höhepunkte des durchweg gelungenen Albums ist einerseits der Opener „Back to You“ mit seiner Mandolineneinleitung, der sich langsam eingroovende Rocker „Who Is She“ und das unverschämt sexy daherkommende „Heart Shakin‘ Mama“. Und unbedingt sollte man auch noch bei „She Needs Time reinhören“. Denn dort singt Mikey mit seiner Backupsängerin Nellie „Tiger“ Travis im Duett.