Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen.
„was für ein bescheuertes sprichwort!“ schimpfte resigniert der mann vor sich hin, „wenn ich doch nur einen davon hätte.“
was für ein blödes quizgitter, wochen, stunden, tage, minuten, der mann kreuzte c an und hatte das H. „mir würden schon ein paar gute stunden am tag reichen.“, und das H paßte rein ins elf kästchen lange wort lymphknoten.
QUIZ – GITTER.
hatte nicht hape kerkeling einmal gesungen: „das ganze leben ist ein quiz und wir sind nur die…“
es galt nichts zu erraten. ein mensch stand auf empfundenen fundamenten, und wenn es bebte, das leben, und er doch nicht fiel, waren die vererbten sockel bedankenswert. wankte und fiel die seele und das netzwerk drumrum, sackte in sich zusammen, war es irgendwie im leiden auch ein: „dankeschön.“ wert, war ein mensch dann doch in der pflicht, sich mit einem stapel kopftüchern unterm arm als lebenslange trümmerfrau zu verdingen, schutt und stoff vom schädel reißend, um sie ausgebreitet schwenkend, wie ein matador am stier, vor heranrauschende züge zu werfen und nicht sich selber.
 
„ich hab den zug verpaßt.“ sagte die frau und ließ sich in den sessel fallen.
„wo wolltest du denn hin?“ fragte gelangweilt der mann.
„irgendwohin.“
„aha. wär aber schön, wenn du mir das nächste mal bescheid sagst.“
„wieso, würd’st du ’ne vermißtenanzeige aufgeben wollen?“
„mit sicherheit.“ antwortete der mann.
 
II
 
gibt’s was schlimmeres als auf dauer ein kaltes bett? 
doch manche inneren seiten lassen keinen zweiten menschen zu, deshalb die schmalen lagerstätten.
hatte nicht irgendwann jemand einmal gesagt: „warmes bier und kalte frauen, das ist das schlimmste was es gibt!“ doch von wem diese glaubhafte feststellung einmal gekommen war, hatte er längst vergessen.
und wenn ein mensch kaltes bier nicht mehr runterbekam und heiße frauen nicht rein in die bude? wenn heiße männer sich an kalten frauen verbrannten, sich brandwunden an ihren gliedern zuzogen und warmes bier in halbverstopften rattenlöchern verschütteten? was dann? sollten sie sich dann in tatoostudios die brandwunden mit bunten flüssigkeiten schmückend prägen lassen?
der mann verschüttete sein alkoholfreies bier. was für eine schweinerei ringsum.
flüssigkeiten permanent, sperma, bier, blut, gehirnwasser und gallensaft… ausrutschbar und zum ertrinken… aber doch gleichzeitig die schwimmringe im lebensatem. bislang hatte er in angefüllten lebenstiefen einen aufblasbaren ring zum fortwärtsschwimmen nicht nötig gehabt, er war einfach so im daseinsfluß gestrudelt, in ihm und mit ihm weiter geströmt. nur, wenn doch einmal ein lebensschwimmring nötig wäre, wer wäre dann bereit und in der lage, wer sollte so ein ding für ihn aufblasen?
ausgeblasen. 
schaum ringsum, all die auftreiber, die sich auch nur trieben und rieben zum eigenen weitersein, und wie immer im leben, sich auch stets und unausweichlich wieder plattmachten im soge eines jeden auf- und abflußes. 
„ich kann deinen abfluß nicht mehr sehen.“, stöhnte sich ekelnd die frau.
„mußt ihn ja nicht immer wieder anreizen und dann auch noch hingucken.“ kam es vom mann zurück.
 
III
 
als der mann im dunkeln gegen den riesigen und vereisten schneemann rannte, sackte der mann in sich zusammen. irgendwann erkannte er von unten im liegen das eisige ungetüm. 
„shit, wie kann man nur solch ein riesiges ding mitten in der stadt zusammenkleistern.“ 
und dann fuhr es ihm kalt den rücken runter. kurz war ihm so, als wäre er sein eigener eismann, als wäre er gegen sich selbst gerannt und in sich gegen sich gestolpert.
der mann rappelte sich auf. 
„irgendwann ist so ein biest auch wieder verschwunden. es muß doch mal das tauen beginnen. einmal wird noch alles tauen, und dann ist in der dunkelheit auch ein weg wieder frei.“ 
keine augen im vereisten mann. kein tauen ist ihm fühlbar. kein sehen im verschwimmen. gab es keine klaren frohen funkenstückchen mehr? kohle, murmeln, fischaugen?
 
„ich bin nur froh, daß wir den kohleofen los sind. das war ein dreckgeschleppe, und dann die asche. aber die von dir runtergeschlagene und bis nach hause geschleppte mütze des volkspolizisten konnten wir schön verbrennen. blieb nur ein blechemblem übrig und solch runder drahtkranz auf dem ofenrost. und diese tannennadeln der trauerkränze vom ehrenmal mit denen du angeschleppt kamst und deine gedichte und meine monatsbinden, was brannten die gut, was loderten, wie krümmten und verloren sie sich in den flammen.“ hörte der mann seine frau.
der mann drehte auf.
„dreh nicht so doll auf. du kennst die letzte heizkostenabrechnung, oder hast du schon gedächtnislücken.“
„scheißegal, ich hab eiskalte füße, wie ein ein schneemann, der nur noch draußen vorsteht.“
„seit wann hat ein schneemann füße. vielleicht steht deine vorsteherdrüse vor. warst doch sonst immer so heiß.“ sagte die frau.
der mann drehte auf anschlag, humpelte wie mit restlos eingeschlafenen, allmählich auftauenden beinen in die küche, rührte sich einen eiskalten drink und ließ die eiswürfel an seinen schneidezähnen klappern.
„kannst mir vielleicht auch mal einen anrühren, du schneemann, oder denkst du ich steh neuerdings auf buttermilch?“ die frau war sauer. und doch sah sie immer aus wie leckere sahne, wenn sie in leichte wut geriet. wie richtig gut geschlagene sahne, einfach verzehrenswert, gesicht und körperspannung. 
dem mann wurde heiß, er öffnete das fenster auf kippe, steckte sich eine zigarette an, die heizung rauschte, fast so ähnlich wie das rauschen in seinem kopf. er goß das glas der frau halbvoll mit gin, drückte eiswürfel aus der verpackung, ließ sie ins glas klingeln, goß tonic zu.
die frau läutete mit ihren würfeln jahrelanges beieinander. synchroneiswürfelklappern zweier menschen in zwei drinks. nur der rausch sprang unterschiedlich auf den sprossen eines jeden leiter.
„mach mal das fenster zu. läßt die eisige kälte rein und die heizung rauscht auf höchster stufe.“
„und der qualm?“
„dann mach’ die zigarette aus oder geh’ von mir aus nach unten und qualm in der gemeinschaftswaschküche weiter.“
„dein ernst?“
„dann dreh die heizung aus.“
mein gott, was wirkte sie sauer einfach sahne. nach all den jahren immernoch. ein bißchen liebeszucker fehlte manchmal und ein wechseln des kompotts als beigabe, vielleicht auch nur so bunte streuseln wie auf einem becher eis ohne likör.
dem mann rieselte etwas den rücken runter. kein schauer. irgendetwas wie gutgelaunte mehlwürmer, die seine wirbelsäule als rutschbahn nutzten, um sich da zu sammeln, wo der alte kuchen doch noch nicht im müll gelandet war und dennoch mann und frau nicht mehr reinbissen, obwohl die aufgelegten sauerkirschen gar nicht wirklich schrumplig waren. 

UNTERM SAFT GEHT’S WEITER / 55