KLEIN_056_56Es gibt Zeiten, wo man instinktiv weiß, dass die einfach perfekt sind. Für mich war das klar, als Todd Wolfe am 13. März im Greifswalder TV-Club bei „Mannish Boy“ zur Gitarre griff, und bei den Bluezbusters einstieg.

Die erste Note von seiner Gibson ließ sofort ahnen: hier ist ein Meister am Werk. Und das Gefühl ließ mich auch die nächsten drei Stunden nicht im Stich. Das soll nicht heißen, dass die Zeit, als die Bluezbusters im TV-Club als Vorband spielten, schlecht war. Im Gegenteil: ich war angenehm überrascht, wie gut und solide sie ihren Bluesrock zelebrierten. Und sie hatten sogar zwei eigene Songs im Gepäck, die auf eine Plattenveröffentlichung neugierig machen. Nur, um einen anwesenden Musiker zu zitieren – die Vibrations kamen nicht richtig rüber. Es fehlte mir der letzte Kick an Begeisterung, der mich vor der Bühne getroffen hätte.

Ganz anders bei Wolfe und seiner Band. Von Anfang an war ihr Konzert ein Beispiel, wie man heute Bluesrock auf allerhöchstem Niveau zelebrieren sollte: Wolf verwuchs bei Songs wie dem eigenen „Cold Black Night“ förmlich mit seiner Gitarre und kniete sich in jeden Ton hinein. Seine Solos (egal ob nun in der stilistischen Nachfolge vom psychedelischen Bluesrock a la Hendrix oder Cream, von der Lyrik Peter Greens, vom Chicago-Blues von Muddy Waters und Sonny Boy Williamson oder aber vom Slide-Boogie in der Tradition von J.B. Hutto oder George Thorogood präsentiert) nahmen einen mit auf musikalische Gedankenflüge. Und sie waren zu keinem Zeitpunkt langweilig oder pure Präsentation einer vorhandenen technischen Perfektion.Wenn man Hedrix zum Vorwurf gemacht hat, er sei für endlose und oft gedankenlose Solos diverser Möchtegern-Gitarrenhelden verantwortlich, dann kann man Wolfe zum Beispiel nehmen, wie man würdig mit seinen Vorgaben umgehen kann in der Neuzeit.

Worauf sich Wolfe zu jedem Zeitpunkt blind verlassen konnte, war die Rhythmusgruppe mit Suavek Zaniesienko am Bass und Roger Voss am Schlagzeug. Auf bloßes Zusehen gingen sie die weitschweifenden Exkursionen mit, die Wolfe in seinen Solos unternahm. Da wurde plötzlich das Stück auf einen Hooker-artigen Groove reduziert, dann wieder in funkinge Ecken geschaut – alles funktionierte. Aber nicht wie tote Perfektion sondern wie ein lebendiger Organismus. Wenn Hendrix mit seiner Experience die Blaupause für ein Bluesrocktrio geliefert hat und Cream die auf britische Weise in alle Möglichen Richtungen ausgeweitet hat, so hat Wolfe mit seinen Mitspielern diese Vorgaben um die musikalischen Entwicklungen der letzten dreißig Jahre ergänzt.

Irgendwann geht jeder perfekte Moment zu Ende. Nach fast drei Stunden Konzert mit Todd Wolfe schaute ich zur Uhr. Noch spielten sie. Und es war auch noch gut – schließlich kam gegen Ende des Konzertes auch noch der großartige Song von Peter Greene „Oh Well“ zur Aufführung – für mich einer der besten Songs des genialen Fleetwood-Mac-Gründers. Aber die schiere Menge an Musik, die bis dahin erklungen war (neben eigenen Stücken von seinem letzten Studio-Album „Borrowed Time“ auch Bluesklassiker wie „Who’s Been Talkin“, die Muddy-Waters-Nummer „She’s Nineteen Years Old“ oder eine umwerfend spritzige Fassung der von den Stones bekannt gemachten Bobby-Womack-Song „It’s all over now“), ließ einfach keinen Platz mehr im Kopf. Oder man könnte auch sagen: Es war großartig – aber es war eindeutig genug für einen Abend. Wer ihn verpasst hat, sollte hoffen, dass Wolfe bei seinem nächsten Ausflug nach Europa hier wieder Station macht.