Am Anfang war eine Dobro Delphi  „power coated“, die ich vor Jahren von einem österreichischen Schuhgroßhändler gekauft habe. Er wob um die Gitarre die Sage, der „Sir“ Oliver Mally hätte sie bereits gespielt. Der erste Kontakt zu „Sir“ Oliver Mally bezog sich deshalb auf diese Dobro und war unspektakulär. Der zweite Kontakt entstand zu einem Konzert in der Schrottgalerie in Glonn und von da an baute sich ein sehr intensiver Kontakt, in dessen Nachspann  ich mich für die Musik von Oliver Mally begeisterte und Konzerte für ihn vereinbarte und wir nun zum Konzert am 19. Mai in der Bruckmühler Auszeit die Möglichkeit für ein Interview hatten.

Ein Mann steigt mit seiner Gitarre auf die Bühne und beginnt ohne große Ansage zu spielen. „Sir“ Oliver Mally eröffnet das Konzert absolut unprätentiös mit seiner Interpretation der Bob-Dylan-Songs Girl from the North Country  aus seinem aktuellen Album Strong Believer. Die neue CD ist der Leitfaden des Abends und so kommen die Zuhörer in den Genuss der einfach eingespielten, aber extrem stimmungsvollen Songs, die einen weiten Bogen von Folksongs bis zum Blues spannen.

„Sir“ Oliver Mally kommt aus Österreich, lebt in Wagna in der Südsteiermark, und die Kombination aus seinem charmant steirischen Dialekt und den rein englisch gesungenen Lieder macht ihn für das Publikum reizvoll. Die Frage, die ich eigentlich geplant habe, aber dann vorzeitig aus dem Publikum kam, warum er nicht auf Deutsch singt, konterte Mally damit, dass er auf Englisch seiner Musik näher ist.  Im Namen führt Oliver Mally den Zusatz „Sir“, was im amerikanischen Sprachgebrauch Respekt impliziert. Der Namenszusatz entstand in der Eile zu einem Bluesfestival in Jahr 1991 und war natürlich ironisch gemeint. Die erste Idee sich „King“ zu nennen, war durch mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten zu einschränkend und so wurde aus dem steirischen Musiker der „Sir“ Oliver Mally.

Die Frage, wem er im Gegenzug Respekt zolle, beantwortete Oliver damit, dass er grundsätzlich jedem Menschen mit einer Grundportion Respekt begegnet. Ob diese dann bleibt – mehr oder weniger wird – zeigt sich allerdings erst später. Achtung hat er vor jedem, der seine Stimme für das Gute mit Leidenschaft erhebt und sich und einer Sache damit Ausdruck verleiht. Es gibt aber leider gerade als Musiker Situationen, wo man dieses Grundmaß an Respekt manchmal vermisst.

„Sir“ Oliver Mally ist ein vielbeschäftigter Musiker, der circa 200 Tage im Jahr unterwegs ist. Gerade eben kam er vom Inniger Spektakel auf dem Weg zur Bielefelder Extra-Blues-Bar nach Bruckmühle. Anschließend sind auch noch Konzerte in Hamburg und der Dreh für ein Video-Interview bei Mediagroove in Hildesheim geplant. Auf die Frage, wer denn zu Hause auf ihn wartet, antwortete er ganz verschmitzt: Ein Bücherregal, seine DVDs und jede Menge Vinyl.
Angesprochen auf Highlights der letzten Zeit nannte der Musiker  Auftritte in Italien, Deutschland, Lettland und Ungarn und vor allem Auftritte in ausgesuchten Clubs, wo er sein Publikum kennt und es ihn liebt.  

Seit 1992 hat er etwa 22 CDs und eine DVD veröffentlicht. Dabei handelt es sich einerseits um Solowerke, aber auch um Platten mit der Band Blues Distillery. Und auch in verschiedenen Duo-Konstellationen kann man Mally erleben. Für ihn ist dieser Mix sehr wichtig. Erfreulich ist für ihn aber auch die Tatsache dass sein Soloprojekt bei den Zuhörern großen Gefallen findet. Und: Er kann von der Musik leben, die Tantiemen ernähren ihn neben den Konzerten ohne weitere Zusatzaktivitäten außerhalb der „eigenen“ Musik.

Es gibt Musiker, die behaupten, das Online-Geschäft mit Musik sei ruinös, weil dem Musiker von jedem Song nur Bruchteile eines Cents überbleiben. Mally kann diese Aussage für sich nicht ganz bestätigen. Seine Musikverkäufe laufen über die Kanäle vom Amazon und iTunes recht erfolgreich und bringen zumindest einen kleinen Bonus ein. Den größten Teil seiner Umsätze macht er aber natürlich durch den Direkt-Verkauf bei seinen Konzerten. Wenn man dann live Crazy bout that Music oder Sweet and fine hört, kann man gar nicht anders als in der Pause zum “Sir” gehen, um ihn in Form der CD Strong Believer mit nach Hause zu nehmen, und schon gar nicht ohne eine Signatur der CD durch den „Sir“ persönlich. Zu jedem Stück gibt es auf der Bühne eine Geschichte oder Anekdote und gerade das letztgenannte Stück entstand in der besonderen Situation, als er mit einer unangenehmen „reinigenden“ Darmerkrankung am Flughafen in Katmandu nach einem Festival festsaß.

Strong Believer nahm „Sir“ Oliver Mally bewusst in Mono und ohne jeglichen Schnickschnack auf. Die reine Aufnahmezeit betrug nicht mal 6 Stunden. Für seine Aufnahmen und Konzerte geht er mit einer Gibson L1 aus dem Jahr 1931 auf die Bühne. Er benutzt einen Sunrise Pickup in Kombination mit einem Bühnenmikrophon, um den akustischen Anteil beizubehalten. Für Stücke wie Down with the Blues spielt der „Sir“ dann auf einer  54er Harmony und stimmt damit eine Hommage an John Lee Hooker an. Besonders beeindruckend ist auch seine Slidearbeit. Überhaupt spielt er einen sehr einprägsamen Gitarrenstil, den er sich autodidaktisch beigebracht hat. „Sir“ Oliver ist ein Fingerpicker, das heißt, dass er nur die Finger virtuos zum Gitarrenspiel einsetzt. Ein Technikfreak ist Mally wahrlich nicht. Das überlässt er lieber den Tonleuten im Studio, um aus seinen Mono- oder anderen Aufnahmen das optimale Feeling heraus zu holen.

Ein für Musiker wirklich ungewöhnliches Projekt ist King No. 1 – A Madman‘s Diary, ein Comic. Das war nach Olivers eigenen Worten eine „spontane Idee“ und eine „schräge Geschichte“, die einfach so aus ihm rausgefallen ist. Mittlerweile wird angedacht, das in überarbeiteter Form als e-book zu veröffentlichen.

Viele Musiker nutzen soziale Netzwerke, um sich zu präsentieren und um ihre Fans zu treffen. Da wird auch schon mal augenzwinkernd Zynisches gepostet oder verdienterweise gar gegen bornierte Veranstalter gewettert. Wo sieht der Musiker „Sir“ Oliver Mally die Vorteile und Risiken? Der „Sir“ kann hier seine Konzerte und Veranstaltungen bewerben. Was die Medien ja nicht immer tun und klarerweise auch nicht immer können. Nach seinen Worten wird man gläserner. Aber wer es drauf anlegt, jemanden zu finden, wird aber  auch ohne die sozialen Netzwerke leicht erfolgreich sein.
„Sir“ Oliver Mally nutzt z.B. Facebook durchaus, um Meinung zu machen. Verträgt er auch Contra, wenn einer sich negativ ihm oder einem seinen Beiträgen gegenüber äußert? Seine offene und ehrliche Antwort darauf: Ja klar! Wenn die Person zu begründen und zu formulieren weiß, hat er nie etwas gegen einen Meinungsaustausch. Das darf ruhig auch heftig sein solange die Person oder der Austausch gepflegt bleibt.

Wenn man die Veröffentlichungen von „Sir“ Oliver Mally beobachtet, kann man den Eindruck gewinnen, dass er sich bewusst in Szene setzt und z.B. mit Strong Believer das Image des einfachen, authentischen Bluesers aufbaut. Diese These läßt „Sir“ Oliver Mally nur bedingt gelten. Er macht das bewusst, aber nicht spekulativ. Wenn man seine Konzerte besucht, wird einem diese Differenzierung sehr schnell klar. „Sir“ Oliver Mally geht auf die Bühne, nimmt seine Gibson L1, spielt und singt genau so, was man sich vorstellt, wenn man über ihn liest: Aufrichtig und authentisch, es ist „Sir“ Oliver Mally. Was aber 100% spekulativ bleibt, sind die Seiten, die uns „Sir“ Oliver Mally nicht zeigen will und die wahrscheinlich nur seinen intimsten Freunden vorbehalten sind.

Mally bereist viele Länder, um dort Musik zu machen. Ein Sprichwort sagt, dass in anderen Ländern  andere Sitten herrschen. Es stellt sich damit auch die Frage, ob andere Länder auch unterschiedlich begeisterungsfähig für seine Musik sind. Für den Singer/ Songwriter Oliver Mally gibt es da keine Hitparade oder Wertung. Bislang traf er dankenderweise auf sehr viel Begeisterung und Anteilnahme in jedem Land,  in dem er  gespielt hat. 

Der Musiker ist 47 Jahre alt. Ein guter Zeitpunkt, ihn nach unerreichbaren und realistischen Zielen und Träumen zu fragen. „Sir“ Oliver Mally entgegnet an diesem Punkt mit einem Lächeln, dass es jetzt doch ins persönliche geht. Unrealistische Ziele und Träume sind für ihn zwei Paar Schuhe.  Er ist speziell im letzten Jahr zunehmend glücklicher und ausgeglichener geworden. Seine Schwankungen sind nicht mehr so extrem und er ist gerade sehr bei sich und unabhängig und das tut ihm unwahrscheinlich gut. Er liebt,  was er tut wie nie zuvor. Das klingt nach seinen eigenen Worten „pathetisch“, ist aber genauso, wie „Sir“ Oliver Mally  das erzählt. Sein Ziel für 2013 ist, an dem dran zu bleiben bzw. in diesem Gefühl zu bleiben. Ob er das Ziel für 2013 erreicht, läßt sich nur noch mit seinem folgenden Abschluss bestärken: …und ob! I strongly believe in that! Cool