WP-NewWarum es ausgerechnet im Grimmen seit 3 Jahren eine vorweihnachtliche Bluesweihnacht gibt, weiß wohl so richtig keiner, ausser vielleicht dem Veranstalter. Aber es gibt sie und das ist ein ermutigender Gedanke. Billy The Kid hat die diesjährige Version besucht.

Am Sonnabend gaben sich 3 Bands die Ehre,die  in der Grimmener Kulturhalle eine Art internationales Festival zu spielen. Das Venue an sich ist schon erstaunlich genug- eine von der Stadt betriebene Spielstätte, frisch renoviert, mit eigner PA und Beleuchtung, alles auf dem neuesten Stand- Greifswald z.B. bietet so eine Spielstätte erst seit diesem Wochenende. Einziger Wehrmutstropfen für den Besucher (der in meinem Fall millitanter Nichtraucher ist)- in der Halle darf geraucht werden, ob generell oder nur, damit man die Raucher nicht in die barbarischen -18° schicken muss, ist nicht herauszubekommen.

Man kann sich schon fragen, warum Blues in Grimmen, aber immerhin ist Grimmen bzw. die nähere Umgebung so ein Art Heimat für die beste Bluesband hier in der Gegend, nämlich die immer noch existierende Acker-Blues-Band unter dem Gitarristen Dr. T alias Thomas Hunfeld, deren Schlagzeuger gleich um die Ecke wohnt und wo die Band auch probt. Tatsächlich hat Dr. T hier in der Halle unlängst gespielt und man bedauert die Informationslücke zwischen Grimmen und Greifswald, die trotz Web 2.0 hier scheinbar noch existiert.
Trotz der sibirischen Temperaturen sind ca. 100 Leute gekommen, eher älter als jünger, viele ältere Ehepaare und ein paar Frauen im Rudel- für Blues eher untypisch, denkt der Rezensent.

Der Abend beginnt mit der Greifswalder Truppe The Bluezbuster, die eindeutig nicht ihren besten Tag haben und die sich auf der riesigen Bühne sichtlich unwohl fühlen. Der Bassist und zweite Sänger ist erkrankt und steht das einstündige Set nur mühsam durch, es gibt haufenweise Verspieler und der sonst so brachiale Sound kommt auch nicht rüber. Trotzdem wird sogar getanzt und das im sog. Disco-Fox (das muß die Provinz sein….-).
Dann kommt Bluesrausch aus Stralsund und dann beginnt der Saal tatsächlich zu kochen, die Stralsunder liefern extrem abgehangenen Piano-Boogie ab, der dann noch durch den (statt des nicht anwesenden Gitarristen)  Saxophonisten veredelt wird, der wirklich unglaublich ist und der teilweise den recht einseitigen Boogie  in recht Free-jazzige Bereiche führt. Super.

Aber der eigentliche Hammer kommt erst noch. Angekündigt war die Free Blues Band aus Polen, ich hatte mir nicht die Mühe gemacht zu erkunden, was das für eine Band war. So wurde ich kalt erwischt, denn die Band war deutlich über dem Niveau einer Grimmener Provinz-Veranstaltung! Die Band existiert seit 1979 und ist die Hausband des Stettiner Free Blues Club, ein Klub, der seit 18 Jahren existiert und in dem schon Größen wie John Scofield gastierten (nächstes Jahr kommt John Mayall). Die Band ist eine der bekanntesten Bluesbands in Polen, sie spielte schon mit Steve Morse und Ian Paice, war Vorband von Deep Purple und kooperierte mit Taj Mahal. Und das Konzert in Grimen war ganz großes Kino. Dabei war es keinesfalls uralter 12-Bar Blues, die Band spielte eine Art sehr jazzigen Funk-Blues, dann wieder derben Rock (Perfect Stranger von Deep Purple) und zwischendurch sogar Prog-Rock-artige Stücke, die zwischendurch in eine Art „Moby Dick“- (nein, nicht das Buch) artiges Stück führten. Und das war wirklich ein Schlagzeugsolo, das hätte auch dem Bluespfaffen gefallen, der, wenn ich das recht verstanden habe, Schlagzeugsoli für überschätzt hält. Dieses war großartig! Die Besetzung der Free Blues Band war der Klassiker schlechthin- Drums, Bass, Gitarre und eine echte Hammond mit Leslie-Cabinet. Der Hammer!

Zum letzten Titel des Sets enterten dann Steffen Rausch sowie der Gitarrist der Bluezbusters und der genial Saxofonist die Bühne und jammten Hey Joe, Sweet Home Chicago und sogar Hoochie Coochie Man, wobei die Polen es schafften, aus diesem relativ abgedroschenem Stück eine fast Coltrane-artige Nummer zu machen. Das war genial! Um 2 Uhr war der Gig zu Ende und man versuchte durch die Kälte heil nach Hause zu kommen, nicht ohne den Gedanken, diesem Club in Stettin mal einen Besuch abzustatten.