Die Wikinger kommen

Der nächste Tag beginnt früh, ich kann nicht lange schlafen, so eine Art  präsenile Bettflucht treibt mich (ich bin 45, Tommy ist 24). Ich quatsche lange mit Nigel beim Kaffee, dann schmeiße ich die anderen aus dem Bett, Micha meint, ich sei ein Menschenschinder. Wir gehen in die Stadt bummeln. Das Wetter ist trübe, aber die Stadt ist voller Menschen, die Weihnachtseinkäufe machen, wir erkennen sogar einige Straßenmusiker wieder.

Wir frühstücken eine Kleinigkeit, dann gehen wir ein bißchen shoppen, schauen in den Musikladen, den wir schon kennen, kaufen ein paar Cds und lassen uns treiben. Mittags hatte uns Nigel ein Spice Quarter empfohlen, wo es All You Can Eat asiatisch gibt, das finden wir und gehen schlemmen. Danach kommt wieder etwas Bizarres: ein deutscher Weihnachtsmarkt, der die Sensation in Leeds ist. Schon Nigel hatte uns erzählt, das die Engländer auf deutsche Weihnachtsmärkte abfahren. Hier gibt es alles, Glühwein (umgerechnet 5 Euro!), Kekse, Kunsthandwerk und unsägliche deutsche Blasmusik. Grauenvoll. Wir trinken einen Glühwein und flüchten. Nachmittags schlafen wir ein bißchen, heute soll es lange gehen. Wir sind wieder bei Hoagys, heute steigt eine Party norwegischer Leeds-United-Fans, die einmal im Jahr hier ein Treffen machen. Nigel sagt, die Wikinger kommen und klingt beeindruckt. Angeblich saufen die bis zum Umfallen und geben 10 Pfund Trinkgeld. Na, uns soll es recht sein.

Wir bauen auf. Dann gibt es eine leicht Änderung: Die Norweger haben eine Art Liedermacher mitgebracht, Eugen, der soll auch noch spielen. Wir beschließen, dass wir ein kurzes Set spielen und dann erstmal den Norweger machen lassen, um dann noch mal loszulegen.

Das „kurze“ Set dauert eineinhalb Stunden, doppelt so lang wie geplant, aber es läuft gut, wir sind gut drauf und die Norweger wohl auch. Nun aber will Eugen spielen. Der ist angeblich Profi und kommt dann mit einem Textordner! Zum Stimmen braucht er gefühlt eine halbe Stunde, zwischen den Songs sucht er in dem dicken Ordner ewig nach dem Text und was er spielt, ist eben Lagerfeuermusik. Micha muß den Ton machen und wird wütend, als eine Lady fast das Bier in das Mischpult kippt. Wir sind schon fast eingeschlafen, als er nach einer Stunde endlich aufhört. Ziemlich sauer stöpseln wir uns wieder ein und holen dann unsere Kneipenkracher raus, Rock`n`Roll-Nummern wie Hound Dog, Stones-Nummern. Die Norweger wachen jetzt auf und werden wild, die Stimmung kocht, die Leute gehen mit. Und wir geben jetzt Vollgas. Es ist fast zwei Uhr, als wir Eugen auf die Bühne holen und noch zwei, drei Songs zusammen machen, Knockin´on heavens door geht ab. Zum Schluß spielen wir „Football is comin´home“, Eugen singt, ich hab das noch nie gespielt, die anderen auch nicht, aber es geht. Und die „Wikinger“ rasten aus und sind kurz davor den Pub zu zerlegen. Dann kriegen wir Einladungen nach Norwegen. Eugen will sich morgen mit uns treffen. Was wir zu dem Zeitpunkt nicht wissen: Er hat auch unsere Kohle kassiert und verschwindet dann natürlich, so dass wir leer ausgehen.