Der tolle akustische Bluesmusiker Roy Book Binder pflegte zu scherzen, das er nicht wisse, was ein Jorma ist. Die Zeiten allerdings ändern sich und inzwischen sind die beiden dicke Freunde, die zusammen jammen, spielen oder Gitarre unterrichten. Und Jorma hat Lieder im gleichen traditionellen Stil aufgenommen,, wie sie auch Book geschrieben hat.
 

Jorma bringt noch immer seinen eigenen Zauber zum Einsatz mit leuchtenden Licks und einem tiefen Blues-Picking, das einfach jeden Tag stärker zu werden scheint. Mittlerweile ist er 75 Jahre alt. Und noch immer ist Kaukonen auf dem Gipfel seines Könnens. Für fast jedes Album bekommt er Grammy-Nominierungen und mit totaler Leichtigkeit überspringt er die Grenzen zwischen Blues und modernem Americana und Country. Als Frontman und Zentrum der Band Hot Tuna hat er noch immer einen der besten Bassisten des Planeten als Partner: Die Partnerschaft mit Jack Casady geht zurück bis in die Tage von Buddy Holly und hat die Zeit ebenso überstanden wie musikalische Veränderungen und Herausforderungen.

“Jack und ich haben eine lange Vergangenheit. Er stammt aus DC und ich lebte in Washington, als ich jung war. Wir sind beste Freunde und begannen 1958 gemeinsam in einer Band zu spielen”

erzählt er mit einem sprudelnden Kichern. Wenn man ihn fragt, ob er sich hat jemals vorstellen können, dass nach so langer zeit noch immer diese alte Gitarre spielen würde, lacht Jorma:
Klar fühlt sich das gut an. Ich kann es noch immer, und inzwischen hab ich viel mehr Zeit, Gitarre zu spielen. Und das liebe ich.

Kaukonen ist einer der wenigen Überlebenden, die beim legendären Woodstock Festival gespielt haben. 1969 war er Gitarrist bei der aus San Francisco stammenden Psychedelic-Rocker Jefferson Airplane. Tatsächlich benannte sich die Band nach einem von Jormas damaligen Spitznamen: In Anlehnung an die alten Bluesmaster wie Blind Lemon Jefferson nannte er sich damals Jefferson. Wo kam eigentlich das Interesse und die Liebe zum Blues her, frage ich ihn. Das Mitglied der Rock & Roll Hall of Fame lacht:

Ich spielte etwas Gitarre und traf glücklicherweise den inzwischen verstorbenen Ian Buchanan am Antioch College in New York. Er führte mich in die Musik von Rev Gary Davis ein. Ian war ein großartiger Spieler und ein Freund von Gary Davis. Es wuchs einfach aus diesem ersten Kontakt und dass ich ihn spielen hörte heraus. So fand ich mehr und mehr in dieser Musik. Und jetzt ist Hot Tuna ein großer Teil meines Lebens.”

In diesen Tagen ist Kaukonen noch immer on the road, tourt und spielt an etwa hundert Tagen im Jahr nach seiner Schätzung. Viel der verbleibenden Zeit wird beansprucht von einem persönlichen Projekt, ein fast legendäres Gitarren/Musik-Camp in den Ausläufern der Appalachen in Ohio: Fur Peace Ranch war seine Idee, ein Weg, Fähigkeiten auf der Bühne weiter zu geben, das Selbstvertrauen aufzubauen und die Musik auch für die nächsten Generationen neuer Spieler frisch und lebendig zu halten.

An Fur Peace verdiene ich nicht genug zum überleben, meint er. Doch es ist ein großer Spaß und ein wichtiger Teil meines Lebens. Aber ich bin immer noch auf Tour, spiele auf Festivals und bei Konzerten vor allem rund um die USA für ein Drittel des Jahres.

Kaukonen spielt auch gern in Europa und hatte letztens Auftritte in Italien. Vor einigen Jahren hatte er auch einen großen Erfolg mit Konzerten in Skandinavien, wo er sowohl in Finnland als auch in Schweden spielte.

„Bislang hab ich noch nie in Irland und Schottland gespielt,“ merkt er überrascht an. „Für Konzerte dort würde ich die Kosten ziemlich übernehmen“, merkt er an.

Das könnte eine große Versuchung für einige Promoter dort sein. Besonders stolz ist er heute, dass er mit seinem bedeutenden im Blues verwurzelten Back-Katalog in der Position ist, Fans die Musik von Gary Davis nahe zu bringen.

Ich denke es ist wichtig, Rev Gary Davis für diejenigen zugänglicher zu machen, die ihn vielleicht noch nie gehört haben.

Als ich anmerkte, dass er ja eher im Stil des Reverend spiele, als ein purer Kopist zu sein, stimmt er zu und ergänzt, dass er heute die Freiheit habe, das zu spielen, worauf er Lust habe, ohne sich von irgendwelchen Musikgeschmäckern, Marotten oder musikalischen Grenzlinien einschränken zu lassen.

Uns bei Hot Tuna geht es nicht wie den Eagles, die Note für Note immer das Gleiche spielen müssen. Ich kann jederzeit Variationen einbringen, kürzen oder verändern und allem eine größere Abwechslung geben, sagt er mit deutlicher Befriedigung.

Jorma wurde inzwischen auch die Ehre eine Martin Signature Gitarre zuteil, eine Ehre die er mit Leuten wie Eric Clapton, David Bromberg (einer seiner alten Kumpel) und einer Hand voll anderer teilt. Aber eigentlich ist er hauptsächlich als Gibson-Spieler bekannt, merke ich dazu an.
Yeah, das war so eine Sache. Gibson hat andauernd gesagt, sie planten, etwas herauszubringen, brachte es aber nie fertig. So sagte ich ja, als Martin mich ansprach.

Die Zukunft geht er jetzt gelassen an. Sein neues Album „Ain‘t In No Hurry“ läuft gut und wird von den Kritikern gelobt. Also nimmt er jetzt jeden Tag, wie er kommt. Als einer der einflussreichsten und inspirierendsten Gitarristen seiner Generation, reflektiert Kaukonen über die Länge seiner Karriere bis heute: Dinge wie diese kann man einfach nicht planen, meint er.