Keith Richards – Life

  • Verlag: Heyne Verlag; Auflage: 2009 (26. Oktober 2010)
  • ISBN-10: 3453163036
  • ISBN-13: 978-3453163034

 

Der lebt noch? Der hat doch schon mindestens zwei Tanklaster Blut bekommen. Sonst wäre er doch schon längst tot. – Charmante Bemerkung eines Bekannten, der mich auf der Straße nach meiner derzeitigen Lektüre fragte. Und gleichzeitig ein Beweis dafür, wie Legenden mit der Zeit immer mehr ein Eigenleben entwickeln und schließlich den Blick auf die Wirklichkeit verstellen.

Wobei natürlich für manche schon die Frage berechtigt scheint, ob man die Wirklichkeit der Rolling Stones eigentlich noch wissen muss. Schließlich sind die Typen in den letzten Jahren in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit immer mehr zu absonderlichen Karrikaturen ihrer selbst geworden und scheinbar nur noch dran interessiert, ab und zu mit gigantischen Tourneen große Kohle abzusahnen. Die Platten – und das muss selbst ein Fan zugeben – sind seit Jahrzehnten bestenfalls noch Füllmaterial einer zeitweise grandiosen Bandgeschichte.

Wenn Keith Richards in „Life“ also versucht, sich an sein Leben, wie er es nach den diversen Drogenexzessen und sonstigen Filmrissen noch rekapitulieren kann, zu erinnern, dann sollte man das mit dem Auge eines Musikfans tun.

„Life“ geht nämlich vor allem darum: Wie aus jungen Männern, die eigentlich nur die beste Bluesband Londons sein wollten, in kurzer Zeit die größte Rockband jenseits der Beatles (und später: überhaupt) wurde. Richards erinnert sich an seine ersten Begegnungen mit der Musik, an Treffen mit anderen Musikern, an die Suche nach den perfekten Riffs für seine mit Mick Jagger geschriebenen Lieder. Und das ist immer unterhaltsam und zeitweise kann er damit gängige Vorurteile korrigieren. Wenn man auch ab einem gewissen Punkt der Karriere der Band fragen muss, wie real die Erinnerungen eines permanent unter Drogeneinfluss stehenden Menschen heute noch sein können.

Der andere Teil der Erinnerungen gehört aber zu dem Leben genauso dazu: Die Kindheit und Jugend in der britischen Nachkriegszeit, die harten Touren durch alle Welt, die zahllosen Frauengeschichten (auch wenn Keith betont, dass er anders als Jagger und Bill Wyman es längst nicht so auf die große Zahl der Eroberungen abgesehen hatte).

Der Ton des Buches ist betont entspannt – hier erzählt ein älterer Herr, der mit Nachsicht auf das arrogante Musikgenie zurückschaut, das er früher einmal war. Die mehr als 700 Seiten der Autobiografie kann man gut im Urlaub weglesen – oder man kann sie häppchenweise genießen und nebenher die passenden Scheiben der Stones in den Player stecken. Das rückt dann die Erfolgsgeschichte, die Richards schildert gegen Ende unwillkürlich wieder in den richtigen Rahmen. Und wenn man Keith manches nicht glauben will – etliche andere Sichtweisen kann man ja aus den Büchern von Bill Wyman mit in die eigene Urteilsfindung einbeziehen. Grade dessen Bandgeschichte ist angesichts der schieren Faktenmenge sowie ein unverzichtbares Nachschlagewerk für den Fan.