Wenn es in der Musik der DDR wirklich international bedeutsame Entwicklungen gab, so gehört die Herausbildung der Szene des Freien Jazz Anfang der 70er Jahre hinzu. Musiker wie Ulrich Gumpert, Ernst-Ludwig Petrowsky, Conrad Bauer und Günter Sommer – als Band unter dem Namen Synopsis oder Zentralquartett unterwegs, prägten diese Musik entscheidend mit. 1974 erschien erstmals die LP „Auf der Elbe schwimmt ein rosa Krokodil“.
Der Jazz hatte es im DDR-System nicht leicht. Alles was nach dem klassischen New Orleans Jazz kam, stand unter Verdacht bei den Machthabern. Doch in dem sozialistischen Staat der Arbeiter und Bauern entwickelte sich Ende der 60er Jahre eine eigene Jazz-Szene, die es wagte, unabhängig von den ideologischen Vorgaben zu experimentieren und neue Wege zu gehen. Die einen orientierten sich in Richtung des grad aktuellen Jazz-Rock a la Blood Sweat & Tears. Andere gingen den Weg hin zu einer frei improvisierten Musik. Free Jazz war eine Form auch der musikalischen Opposition – und so konnten Jazzer auf den gleichen Konzerten auftreten wie die grad angesagten Blues- oder Rockbands auf den Kneipensälen in den Dörfern der Provinz.
Von Anfang an spielten die Mitglieder des Zentralquartetts (ursprünglich Synopsis) an vorderster Front mit. Mit ihrem Auftritt 1973 bei der Warschauer Jazz-Jamboree machten sie den DDR-Free-Jazz schlagartig international bekannt. Und machten damit auch den Weg für andere Jazzmusiker frei, sich stilistisch freier zu orientieren. Und sie hatten die Chance, nicht nur bei AMIGA, sondern auch bei der in Westberlin ansässigen FMP zu veröffentlichen. Aus im Frühjahr 1974 entstandenenen Produktionen im Rundfunk der DDR, wurden so zwei Schallplatten: „Auf der Elbe schwimmt ein rosa Krokodil“ (FMP) und die AMIGA-LP „Synopsis“.
Auf beiden wird das Spiel der technisch brillianten Solisten im Quartett hinreißend deutlich: hier sind die Grenzen einer traditionellen Jazz-Combo aufgehoben. Jeder Solist trägt zur Entwicklung der Stücke bei und liefert den Kollegen Ideen für weitere Improvisationen. Das Material für die Stücke stammt dabei nicht nur aus dem Jazz, sondern – und das ist wohl ziemlich das erste Mal im Jazz in Europa – auch aus Volksmusik („Mehr aus teutschen Landen“) und anderen Quellen. Heraus kam dabei eine aufregende Scheibe, die noch heute für Spaß sorgen kann bei aufgeschlossenen Hörern, die aber Jazztraditionalisten damals und heute auch an den Rand eines Nervenzusammenbruchs treiben kann: Das ist eindeutig kein gemütlicher New Orleans Jazz für den Frühschoppen im Biergarten sondern Krach auf höchstem Niveau.
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