williemc coverDas Thema von „Live Long Day!“ ist typisch Blues: Man könnte die Songs als eine komplette Bahnreise aus dem Süden der USA bis hoch in den Himmel hören. Doch was die Band Willie McBlind auf ihrem dritten Album macht, klingt wahlweise nach der Zukunft des Blues oder wie eine Kreuzung aus Freejazz-Harmonien und Hardrockrhythmen.

Ein wenig Theorie vorweg: Die europäische Musik basiert auf einer Tonleiter mit zwölf Halbtonstufen. Willie McBlind haben sich von diesem System verabschiedet zu Gunsten einer „Harmonic Music“, das sämtliche denkbaren Ober- und Untertöne in den Klang mit einbezieht. Dafür nutzt Gitarrist Jon Catler wahlweise Gitarren ohne Bünde oder aber speziell angefertigte Gitarren, die die Nutzung von Zwischentönen durch die Verdopplung der Bundzahl ermöglicht. Diese Gitarrenhälse haben dann Ähnlichkeit mit denen der indischen Sitar. Neben Catler ist auch Sängerin Meredith “Babe” Borden mit ihrer Konservatoriumsausbildung firm in Sachen ungewöhnlicher Klangwelten. Ergänzt wird das Duo um Bassist Mat Fields und Schlagzeuger Lorne Watson.

Das mag jetzt alles sehr akademisch klingen und die konservativen Bluesfans erstmal abschrecken. Doch wenn man sich mit Willie McBlind auf die Zugfahrt des Albums begibt, dann werden solche Fragen schnell überflüssig. Schnell findet man sich wieder auf einer Tour in eine seltsam futuristische Welt zwischen dem Mississippi-Delta, Steampunk-Comix und modernen Industriestädten. Mit einer Mischung aus harten Rockrhythmen und den nur beim ersten Hören ungewöhnlichen Klangwelten von Gitarre und Gesang entwickelt sich eine Blues-Atmosphäre, wie sie so innovativ eigentlich seit den Jugendjahren von Captain Beefheart kaum mal wieder jemand versucht hat. Und da passt es selbst, dass als einziges Cover Robert Johnsons „Love In Vain“ ins 21. Jahrhundert verpflanzt wird. Äußerst faszinierend!