In David Tristrams Die geheimen Leben von Henry und Alice, das gestern Abend in der Regie von Uta Koschel Premiere im Greifswalder Café Koeppen hatte, flüchten sich die beiden Protagonisten – das langjährige Ehepaar Alice und Henry Smith, dargestellt von Katja Klemt und Hannes Rittig – vor ihrem Trott und den festgefahrenen Routinen des gegenseitigen Sarkasmus in ihre Tagträume, in denen sie immer häufiger wechselnde, und sich gegenseitig beeinflussende, leider jedoch etwas klischeebeladene Fantasien ausleben können. Über diese finden sie sich – da kollektiv geträumt wird – schließlich auch wieder.

Klemt und Rittig meistern das enorme Tempo samt Rollenwechsel überzeugend. Dazu zeigt Rittig die Fähigkeit, improvisierend auf das Publikum und die Umgebung einzugehen. Obgleich man aufgrund der Besetzung manchmal, vor allem zum Ende hin, nicht ganz genau weiß, wessen Fantasie man gerade beiwohnt, werden die minimalistische Requisite und die Gegebenheiten des Hofs des Cafés gezielt eingesetzt, um die Wechsel zwischen Realität und den Fantasien sowie zwischen verschiedenen Monologen und den Streitgesprächen zu verdeutlichen. Gezielt wird hier aber hauptsächlich auf Lacher – und Ehekomödien gibt es viele. Gerade als es den Anschein hat, die Ehepartner würden über ihre Fantastereien wirklich in einen Wahn abdriften, stellt sich alles als kollektives Träumen heraus und ein glückliches Ende gibt es dann inklusive.

Und die wohlbekannten geschlechtsspezifischen Vorurteilswiederholungen machen es mir heute Abend nicht allzu leicht, mich dem durchaus lauten, breiten Gelächter des Publikums anzuschließen. Über den Großteil der eindeutig zweideutigen Pointen möchte ich, auch wenn ich kann, gar nicht mehr lachen. Irgendwie mag ich, der Sexismus-Debatte sei Dank, nicht mehr über die ganze Hausfrauen- und Macho-Chose nachdenken. Es ist zu viel über die anscheinend so traurige Wahrheit gelacht worden.

Das ist Tristram vielleicht auch bewusst, denn er lässt Henry Smith über Fernsehkomödien sagen, die Wiederholungen seien die guten, Neues sei schlecht. Hier wird ständig – nach guter englischer Sitte –, Tee getrunken und abgewartet, welche Blöße sich der Partner als nächstes geben wird. Auch wenn ein wiederholter Vorwurf das gegenseitige Langweilens ist, entsteht der Eindruck, der einzige Sinn der Dialoge sei, das letzte Wort zu behalten, einen Schlagabtausch an die nächste Pointe zu reihen und nicht gerade, Gott-bewahre, einen Lösungsansatz für den verklemmten Er-ist-so-gefühlsarm-sie-ist-so-pingelig-Dualismus hervorzubringen (man will kommenden verheirateten Autoren ja nicht den Stoff nehmen). Aber gibt es etwas, das über den Alptraum Ehe noch nicht in Slapstick, Witz und Comedy verbraten wurde? Ich bekomme den Eindruck, eigene Erfahrungen auf dem Gebiet seien schließlich doch zwingend für den Genuss dieser Art der Selbstblamage. Wer hier am lautesten lacht, weiß wohl am besten Bescheid.

Während ich mir aus Tannenzäpfle-Alufolien zumindest die Hularöcke zu imaginären Hulamädchen bastle, wird im Publikum um mich herum über die eigenen hochbegabten Kinder diskutiert und während der Pause dem Partner die „Schuld“ über zu lange Wartezeiten an der Bar zugeschoben – „hättest du nicht …“. Dies scheint wirklich ein Abend der Selbstironie zu sein.

Weitere Termine: 9. August, 14./15. August, 23./24. August

Eintritt: 9 & 13 Euro, bei schlechtem Wetter im Haus!