Bei der European Blues Challenge 2016 schaffte es Wellbad bis auf Platz 3. Anfang September veröffentlicht die Band um Sänger/Songwriter Daniel Welbat mit „The Rotten“ ihr drittes Album. Und auf dem bleibt man der Mixtur aus düsteren Rocksounds, Bluesannklängen und Jazz treu.
Ist das noch Blues? An Wellbad scheiden sich die Geister. Nachdem die Band die German Blues Challenge gewonnen hatte, hörte man Stimmen von besorgten Bluespolizisten, dass dies doch auf keinen Fall mehr Blues sei. Klar, im Sinne der Lehren von den heiligen zwölf Takten können die Lieder von Wellbad keinesfalls bestehen. Doch wie Daniel Welbat und seine Mitstreiter ihre düsteren Geschichten in Musik packen, da steckt eine Menge vom Geist des Blues mit drin. Vielleicht am Ehesten vom Kneipenblues eines ganz jungen Tom Waits. Aber wer genauer hinhört, entdeckt auch Anregungen aus klassischem Rhythm & Blues, aus Gospelblues und Worksongs der ganz frühen Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg und natürlich auch aus dem Bluesrock der 60er und 70er Jahre.
Wenn „The Rotten“ mit „Wake Up Call“ beginnt, dann zieht einen Wellbad fast unmerklich in einen Strudel von Geschichten hinein. Denn dieser Weckruf geht fast nahtlos über in den Worksongrhythmus von „Save Your Tears For The Well“, der auch in einer Hiphopumgebung bestehen könnte. Nur dass dort wohl eher selten von Tod und Hölle gepredigt wird. Der Titelsong bringt – und nochmals fühlt man sich an einen gescheiterten Prediger erinnert bei Welbats Sermon – eine völlig gescheiterte Noah-Geschichte zu Gehör. Der Wal hat den Propheten nicht an Land gespuckt. Statt dessen liegt er mittlerweile tot am Meeresgrund. Und der Protagonist hat es sich im Kadaver eingerichtet und wartet auf das Ende.
Diese Düsternis ist bezeichnend für die Songs des Albums: Es ist nicht die heile Welt, es ist noch nicht mal die harte Welt des Bluesman, bei der es noch Hoffnung gibt. Hier ist nur eines sicher: ein Ende mit Schrecken. Der Protagonist ist verzweifelt an sich, der Welt, den Menschen und letztlich an Gott. Nur ein schwacher Gott könnte ihn so nehmen, wie er ist.
„The Rotten“ ist garantiert nicht das Bluesalbum für Jedermann. Wer sich aber auf musikalische und textliche Reisen in die Grenzgebiete begeben will, der hat am neuen Werk von Wellbad eine Menge Freude. Die Band hat ihren Weg gefunden, die Geschichte des Blues fortzuschreiben. Dass längst nicht jeder diesen Weg gut finden wird, spielt hier keine Rolle. Für mich ein überzeugendes Album und eines der Highlights des Blues aus deutschen Landen 2017.