CoverThe Soul Brothers Inc. waren zwischen 1968 und 1974 eine der in Houston bekanntesten Soulbands. Das Münchner Label Tramp Records veröffentlicht jetzt einen Querschnitt über die Geschichte der nie über ihre Region herausgekommenen Band.

Normalerweise gehört sich das nicht. Aber in diesem Falle muss ich meine Rezension doch mit ein paar persönlichen Bemerkungen beginnen. Wenn man eigentlich jeden Tag viel zu viel Musik hört, dann bringt einen so schnell nichts mehr ins Staunen. Alles schon mal gehört. Und damals wesentlich besser. Man wird oberflächlich und zynisch. Umso großartiger, wenn es eine Platte dann noch schafft, dass einem der Mund offen stehen bleibt. Mit The Story of The Soul Bros. Inc. ging es mir so.

Und dabei zähle ich nun wirklich nicht zu der eingeschworenen Fangemeinde, für die die Entdeckung einer noch unbekannten Soulsingle von einer noch genauso unbekannten Band dem Erlebnis einer religiösen Offenbarung nahe kommt. Zu viele der Titel, die mit diesem Etickett um meine Aufmerksamkeit buhlten waren zwar selten, aber musikalisch nicht wirklich umwerfend. Oder gar einfach langweilig.

Und jetzt das: CD in den Player, auf Start drücken, lauschen. Dann: Verblüffung, dann: staunen, zeitweise Sprachlosigkeit.

Der Reihe der CD nach:

  • Slow Motion: Grundsolider Soul mit schöner Schweineorgel mit pumpendem Bass und Frauenchor im Background. Ne typische Tanznummer der Zeit. Sehr schön.
  • Bimbo knows: Tragische Ballade mit dezenten Streichern. Die Chöre sind ein bisschen zu tragisch. Aber die Stimme des Sängers trägt selbst diese Schmalzportion.
  • African slide: schön funkige Nummer mit einer knackigen Gitarre. Slide im Soul – für mich ne Neuentdeckung. Klasse Song.
  • Git it: Unwahrscheinlich fetziger Tanzflächenfeger. Ein echter Hit, wenn es gerecht in der Welt zugehen würde. Aber da der Titel es inzwischen auch auf den Sampler „Shake-A-Leg“ geschafft hat, wird das ja vielleicht noch kommen.
  • That Loving Feeling: Fette Bläser, klasse Stimme – eine zu Unrecht unbekannte Soulnummer der 60er
  • The devil made me do it: Der dritte Höhepunkt der Scheibe. Die erste Single ist eine unwahrscheinlich witzige Auseinandersetzung der Geschlechter voll hintergründigem Humor. Diese erste Singel der Band war in Houston damals ein Hit und brachte genügend Geld für folgende Produktionen auf dem eigenen Bandlabel ein.
  • Girl In The Hot Pants: politisch garantiert nicht korrekt. Aber ansonsten: ganz großartiger Groove, so kann Funk jenseits der JBs eben auch klingen.
  • Put it on him: Sollte man diesem Sänger als Frau glauben, wenn er Ratschläge zum Führen einer Beziehung gibt? So ein Gitarrensolo hab ich im Soul selten gehört – das ist feinste Bluesgitarre.
  • Go On And Have Your Fun: Hier haben die Soul Brothers Inc. einen Kommentar bzw. ein Ripoff zu „Who’s Making Love“ von Johnnie Taylor abgeliefert. Gut gelöst – wenn auch wahrscheinlich ein Verstoß gegen die Copyright-Gesetze. Geh, und hab deinen Spaß, du Narr…. kann man eigentlich nur unterschreiben.
  • Soul Train Part 1&2: In dem schönen Roman The Commitements gibt es eine im Film leider nicht vorkommende Szene, wo die Dubliner Soulband sich mit Soul Train eigentlich erst so richtig eingroovt und aus der Nummer schließlich einen Hit für die Dubliner Vororte macht inklusive der geografischen Neuaneignung. Ähnlich könnte ich mir auch die Entstehung dieser Coverversion vorstellen. Die Band groovt und jammt, dass jeglicher Widerstand zwecklos ist. So macht man ein eigenständiges Cover.
  • Pyramid: Dieser Northern Soul Klassiker dürfte für Soulkenner der einzige Titel sein, den sie schon mal gehört haben. Unwahrscheinlich die Stimme des Sängers zwischen Bariton und Bass. Eindeutig eher ein Stück der 70er Jahre mit Anklängen an Philadelphia oder von Willie Mitchell produzierte Nummern der Zeit.
  • Long Dark Night for Prejudice: Man höre auf den Text – und wie dieses Lied über Vorurteile mit Flöte und akustischen Gitarren und akzentuierten Streichern umgesetzt ist: ich finde es großartig.
  • I saw forever my love: Ok, auf solche Balladen könnte ich verzichten. Zu viel Bombast.
  • Find His Way Back Home: Als ich beim ersten Mal des Hörens bis zu diesem Titel gekommen war, setzte die Sprachlosigkeit ein: Eine dramatisch aufgebaute Nummer über den Vietnamkrieg. Musikalisch und textlich eindeutig der Höhepunkt der Platte.
  • I’m not going to be the one: Zwischen sanfter Strophe und rauhem und kämpferischen Refrain: So kann man auch mit seiner Ex abrechnen. Und wieder eines dieser unerwarteten Gitarrensolos…
  • I don’t think we’re going back again: Hier sind The Soul Brothers Inc. eindeutig im Disco-Zeitalter angekommen. Aber die Nummer ist mit seinem treibenden Bass sehr gelungen.
  • The Broken Hip: Der letzte Titel ist so ziemlich der „altertümlichste“ der ganzen Scheibe und klingt mehr nach den späten 50er Jahren des Rhythm & Blues als nach dem funkigen Soul der anderen Nummern. Trotzdem gut – vor allem das rotzig-freche Solo des Saxophons.

Wer sich für den Soul der 60er und 70er interessiert, sollte zumindest in die Scheibe reinhören. Ich selbst halte sie für einen absoluten Pflichtkauf. Aber ich bin nach vielen Hördurchgängen nicht mehr wirklich unparteiisch. Großartiger Fund, den Tramp Records hier veröffentlicht!.

Veröffentlichungstermin für die Platte als CD/Vinyl und digital ist der 8. November.