An diesem Album scheiden sich die Geister: Fans der Fabulous Thunderbirds zu Zeiten von Jimmy Vaughan oder anderen Gitarristen vermissen bei „On The Verge“ den texanischen Bluesrock. Die Neuauflage der Band um Sänger/Bluesharpspieler Kim Wilson liefert statt dessen feinsten Soulblues mit Anklängen an den Sound des klassischen Memphis-Soul.

Vom Texasblues zum Soul

Es ist immer wieder das gleiche Problem: Wiederholt man als Künstler die erfolgreiche Masche, langweilt man sich am Ende selbst und wahrscheinlich auch irgendwann die Fans. Erfindet man sich aber konstant neu, dann verschreckt man diese vielleicht – oder sorgt zumindest für Enttäuschungen. Die Fabulous Thunderbirds haben seit ihrer Gründung in den späten 70ern immer mal wieder ihren Stil gewechselt, ohne jemals den Blues wirklich zu verlassen. Mit jedem neuen Gitarristen änderte sich die Mixtur ein wenig. Und schon früh wurde auch ein Faible für den Soul hörbar. Für viele Fans sind es vor allem die Hits aus den 80ern, mit denen sie nicht unwesentlich zum Bluesrevival damals beigetragen haben, an denen die Band noch immer gemessen wird: Rockender Texasblues halt. Und den bekommt man auf „On The Verge“ in Reinform kaum geboten.

Klar: Wilsons Stimme und seine Harp atmen den Blues in jedem Takt. Doch Nummern wie das düster groovende „That‘s The Way We Roll“ sind die Ausnahme. Die meisten Lieder sind klassischer Soul, dargeboten mit vollem Gebläse und funkigen Grooves. Und sie sind wundervoll dabei. An anderen Stellen glauben Rezensenten gar den sensiblen Soulblues eines Robert Cray zu vernehmen. Oder sie ziehen gar Vergleiche zu Otis Redding. Und so Unrecht hat keiner von ihnen: Das ist ein äußerst vielseitiges Album mit Songs, die angenehm ins Ohr gehen, die nicht sofort schamlos auf die aktuelle Retro-Soul-Schiene aufspringen sondern noch immer einen ganz eigenen Sound haben.

Nachdem 2005 der Gitarrist Nick Curran als „Sidekick“ für Wilsons Songs fungierte, gehören heute Johnny Moeller und Mike Keller zur Band. Und sie können darauf verzichten, sich hier als Saitenhexer in den Vordergrund zu spielen. Statt dessen sind die Gitarren eher zurückhaltend im Sound einer wunderbaren Rhythm&Blues-Band. Für mich eines der besten Alben, was ich von den Thunderbirds je gehört habe. Aber darüber kann man sich getrost auch streiten. (Severn)