Mit ihrem aktuellen Album “Uncivil War” setzt Shemekia Copeland das fort, was spätestens beim Vorgänger “American Child” in aller Deutlichkeit erschien: Sie ist eine der politischsten Bluessängerinnen, die es derzeit weltweit gibt.
Die Erde erhitzt sich, aber viele denken einfach nur daran, sich immer neuen Besitz zuzulegen. Geld macht einen aber hässlich. Darum sei sie froh, arm zu sein. Nicht nur in Liedern wie „Money Makes You Ugly“ widmet sich Shemekia Copeland der Gegenwart. „Uncivil War“ beschreibt etwa die fortschreitende Polarisierung und Intoleranz innerhalb der amerikanischen Gesellschaft. „Walk Until I Ride“ hätte man auch schon zu Zeiten der Bürgerrechtsbewegung in den 60ern singen können. Und bei „Clotilda’s on Fire“ widmet sich Copeland der Geschichte und dem andauernden Einfluss der Sklaverei auf Menschen in den USA. „She Don’t Wear Pink“ erzählt die Geschichte einer Frau, die sich den gängigen Geschlechterklischees entzieht. „Apple Pie And a .45“ ist eine fast zynische Zuspitzung des Waffenwahns. Und „Give God The Blues“ macht deutlich, wie wir mit unserer Selbstgerechtigkeit und Intoleranz unseren Glauben unglaubwürdig machen.
Gemeinsam mit dem Produzenten, Gitarristen und Songschreiber Will Kimbrough hat sie hier einen Songzyklus veröffentlicht, der in seiner Direktheit und Engagiertheit Seltenheitswert besitzt: Großartige Musik, engagierte Texte, eine auf den Punkt spielende Band und eine Sängerin, deren Kraft und Leidenschaft man nicht widerstehen kann. Das ist Blues der absoluten Extraklasse und macht den Kollegen und Kolleginnen klar, dass Blues eben längst nicht nur Musik über gescheiterte Beziehungen und betrunkene Wochenenden ist. Schon im Anfang des 20. Jahrhunderts, damals als der Blues seine heutige Form fand, waren es Blueswomen und –men, die sich als Berichterstatter und Kommentatoren betätigten. Sie sangen über den Untergang der Titanic ebenso wie über den Hunger während der Weltwirtschaftskrise. Sie jubelten über die Möglichkeiten, die die Politik von F.D. Roosevelt schuf. Und sie kanalisierten die kollektive Trauer über den Tod von Martin Luther King.
„Uncivil War“ ist eines der besten und bedeutendsten Alben nicht nur im Blues, die in den letzten Jahren auf den Markt gekommen sind. Solche Songs müssten im Radio in die Heavy Rotation kommen. Doch hier gerät der Rezensent ins Träumen.