Eine Gitarre ohne Sicherheitsgurte, eine Mixtur aus Chicago, Texas und Erinnerungen an das Mississippi-Delta: Mit seinem aktuellen Album "Live from The Long Islan Blues Warehouse" zeigt Sean Chambers, wieso Kritiker ihn zu den besten Bluesgitarristen der Gegenwart zählen.
Ist es eine Schande zuzugeben, dass einem dieser Gitarrist bislang noch fast unbekannt war? Wahrscheinlich ist es eine. Denn wenn ich schon eher Chambers' Gitarre wahrgenommen hätte, würde ich noch heftiger gegen all die Möchtegern-Blues-Gitarren-Helden herziehen, die die Umwelt mit ihrem seelenlosen Bluesrock behelligen. Hier ist wirklich einer, der mit vollem Recht die große Tradition der Bluesgitarristen der 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts fortsetzen. Und dafür hat er sein Handwerk bei einem der Wichtigsten überhaupt perfektioniert: Wenn man wie Sean Chambers jahrelang in der Band von Hubert Sumlin Gitarre gespielt hat, dann kommt das einem Meisterbrief gleich. Und ich ärgere mich jetzt wirklich, dass ich seine seit 2003 erschienenen Soloalben nicht verfolgt habe.
Jetzt also "Live from The Long Island Blues Warehouse": Die Gitarre von Chambers erinnert wahlweise an Johnny Winter, Otis Rush oder wen auch immer – da sich die Assoziationen innerhalb eines Solos rasend schnell verändern können, ist sowas völlige Glasperlenspielerei. Auf jeden Fall macht einen die schiere Energie des Spiels zeitweise fast atemlos. Das liegt natürlich auch an der auf den Punkt eingespielten Begleitband mit Jeff Artabasy (bg), Gary Keith (bluesharp) und Schlagzeuger Paul Broderick.
Gespielt wurde bei dem Konzert vor allem Material von den bisherigen Studioalben Chambers'. Lediglich der "Hip Shake Boogie" ist eine neue Nummer. Und es gibt noch zwei Coverversionen: "Full Moon On Main Street" stammt von The Kinsey Report. Und das eigentlich kam noch zu covernde "Dust My Broom" klingt hier mehr nach Winter als nach Elmore James oder gar Robert Johnson.
Insgesamt ist das Live-Album eines der heftigsten und hörenswertesten Live-Alben von 2011. Und wer wie ich die Nase voll hat von all den Bluesrock-Wunderkindern oder ihren Eltern, der hat hier ein Beispiel, wie man heute Bluesgitarre spielen sollte.