Immer mehr hat sich Ry Cooder in den letzten Jahren zu einem politischen Songwriter entwickelt. War schon „Pull Up Some Dust And Sit Down“ 2011 eine Abrechnung mit den Verhältnissen, so mischt er sich mit seinem aktuellen Album direkt in den Wahlkampf ein.
Die amerikanische Öffentlichkeit regt sich im allgemeinen schneller über Tierquälerei auf als über Morde oder soziale Ungerechtigkeit. Und so war die Geschichte, wie Präsidentschaftskandidat Mutt Romney während einer Urlaubsreise seinen Hund in einer Box auf dem Dach seines Autos festgeschnallt hatte, eine Nachricht wert. Und Ry Cooder macht daraus dann ein Lied, für das engagierte Kreise im Internet gleich noch ein Video bastelten: Dieser Typ ängstigt mich, meint Cooder. Und der Hund hat den Blues und friert sich halb zu Tode.
Barack Obama läuft im Weißen Hause auf und ab und hat den Blues, wenn er auf seine Heimat schaut. Es fehlt nicht mehr viel, meint er, dass das Weiße Haus wieder rassisch getrennt wird und er nur noch den Kücheneingang benutzen kann. Ganz stoisch die Gitarre von Cooder, während seine Stimme vor Empörung manchmal fast überschnappt.
Aus Guantanamo gibt es kein Zurück. Wer dort einmal einsitzt, dessen Leben ist im Prinzip vorbei, der sieht seine Familie nicht wieder. Egal, was Politiker auch immer versprochen haben – hier sind sie alle wortbrüchig geworden. Statt Jobs zu schaffen, diskutieren sie nur um immer laxere Waffengesetze. Und so bleibt letzt nur die wütende Tirade gegen die Politik, die Hände von der Verfassung zu lassen, die die Grundlage der Freiheit ist.
Es sind politische Lieder in einer Direktheit, wie sie in den letzten Jahrzehnten selten geworden sind. Die Empörung von Ry Cooder ist über die Jahre immer größer geworden. Und auch seine Bereitschaft, sich direkt mit seiner Musik in die Geschehnisse einzumischen.
Musikalisch ist „Election Special“ spartanisch bis zur Grenze: Johannes Cooder spielt die Drums, den Rest macht Ry selbst. Meist nur Gitarren oder Mandoline, Bass und seine Stimme. Blues, Americana und Folk – die Musik, die Cooder schon seit den 60er Jahren immer wieder gespielt hat. Nur dass hier sämtliche Verspieltheit, jegliches Liebäugeln mit instrumentaler Brillianz zu Gunsten der Texte in den Hintergrund tritt. Und das ist auch gut so. Denn so lenkt nichts ab von der Wut und der Empörung des Musikers. Man kann gut verstehen, dass manche Journalisten ihn inzwischen als einen „Woody Guthrie des 21. Jahrhunderts“ titulieren. Denn eigentlich hatte in den letzten Jahrzehnten kaum einer den Posten eines musikalischen Gesellschaftskritikers übernehmen wollen. Zu nennen wäre höchstens noch Springsteen mit seinem aktuellen Album. Aber das war es dann auch schon mit den namhaften Kandidaten für so einen Posten. Und neben dem politischen Engagement und Furor, mit dem Cooder auf „Election Special“ zu Werke geht: Auch musikalisch ist er im Prinzip inwischen ganz in der Traditionslinie von Guthrie angekommen: Immer stärker hat er sich in den letzten Jahren auf Folk, Blues und Americana konzentriert. Die Zeiten, wo er gemeinsam mit den Stones Sessions machte, scheinen in tiefster Vergangenheit in Vergessenheit zu geraten. Und die Projekte mit Musikern aus aller Welt wie Ali Farka Touré oder dem Buena Vista Social Club sind letztlich in die gleiche Richtung einzuordnen. Selbst das Projekt mit den Chieftains und Musikern aus Mexiko ist beim wiederholten Hören wesentlich politischer als man zunächst wahrhaben wollte. Ry Cooder mischt sich ein. Und das ist gut so. Nicht nur musikalisch.