One Wrong TurnAls Sänger und Harpspieler der Nightcats ist Rick Estrin schon Jahrzehnte aktiv. Doch erst als Bandgründer Little Charlie 2008 ausstieg, tauchte Estrin auch im Bandnamen auf. „One Wrong Turn“ ist das zweite Album unter dem neuen Namen. Und wer auf rockenden partytauglichen und gleichzeitig intelligenten Blues steht, kommt im Sommer 2012 an dem Album nicht vorbei.

 

Sozialsatire als Blues? So etwas ist relativ selten. Und man muss schon ein verdammt guter Songwriter sein, damit das wirklich funktioniert. Aber Rick Estrin wird nicht umsonst als einer der besten Songschreiber im zeitgenössischen Blues gefeiert. Wie er in dem wundervoll rockenden „Lucky You“ ausgehend vom täglichen Existenzkampf des Underdog das ganze gesellschaftliche System der Gegenwart kritisiert, das ist schon großartig. Man wünscht sich ja immer wieder, dass endlich mal das Geld nicht schon vor dem Monat zu Ende geht. Und gleichzeitig gibt es da Leute, die Urlaub machen an Orten, die man noch nicht mal aussprechen kann. Da kann ein Mann doch einfach nur den Blues bekommen! Von der Güte gibt es auf „One Wrong Turn“ noch einige Songs mehr. Und man braucht als Deutscher schon ein paar mehr Hördurchgänge, um die Songs wirklich in ihrer Vielschichtigkeit zu genießen. Ok, manche Geschichten gehen auch sofort ins Herz, die Beine und das Hirn wie etwa die witzige Geschichte „I Met Her At The Blues Cruise“, wo mir das erste Mal im Blues selbst ausgepiepte Kraftausdrücke begegeneten. (Dass der Titelsong eigentlich nicht wirklich von Estrin stammt, sondern schon seit Jahrzehnten als Three Cool Cats bekannt ist im Rhythm & Blues, das kann man übergehen. Der Text ist auf jeden Fall neu und großartig.)

Wobei The Nightcats in ihrer aktuellen Besetzung schon ohne Sprachkenntnisse jede Menge Spaß machen. Das ist einfach eine derartig gut eingespielte Band (naja, sie gibt es ja letztlich schon seit den 70er Jahren!), die typisch kalifornischen Blues mit jeder Menge Swing im Rhythmus servieren. Estrin als Sänger und Harpspieler hat mit dem aus Norwegen stammenden Kid Andersen einen außergewöhnlichen Gitarristen hinter sich, mit dem er sich bei den Solopartieen die Ideen mit Leichtigkeit zuspielen kann. Ein Beispiel kommt ganz zum Schluss in dem knapp siebenminütigen Instrumental „The Legend of Taco Cobbler“: Eine Surfgitarre mit viel Liebe zu Dick Dale, später wandelt sich die Szenerie zu einem Mexicano-Western, um dann irgendwann in einem verrauchten Kellerklub anzukommen. Klar: Das ist kein Blues. Aber das ist schon kinoreif und schreit nach einem Einsatz bei Tarantinos nächstem Film. Und natürlich im Programm des DJs des Vertrauens.

„One Wrong Turn“ ist musikalisch vielseitig, witzig, intelligent und verdammt gut gespielt. Wer das Teil nicht kauft, ist kein Bluesfan!