Mit einer äußerst heftigen Rede hat sich Oberbürgermeister Arthur König vor dem Innenausschuss des Landtages gegen die Gesetze zur Kreisreform ausgesprochen. Wegen seiner großartigen Formulierungen bringt die Wasser-Prawda die Rede in voller Länge.

Rede des OB im Rahmen der Anhörung zum Kreisstrukturgesetz und zum Aufgabenzuordnungsgesetz vor dem Innenausschuss am 03.12.2009

Stand: 01.12.2009

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Vorsitzender Dr. Timm,

zunächst muss auch ich – wie viele meiner Vorredner – ganz ausdrücklich auf unsere Stellungnahme im Rahmen der schriftlichen Anhörung und die Beantwortung Ihrer Fragen verweisen. Was ich heute hier sage, ist bestenfalls eine Ergänzung, insofern gilt für mich das geschriebene Wort- und davon hat es leider in den letzten Monaten sehr, sehr viele gegeben.

Ich bin mir sicher, dass es in der Geschichte unseres Landtages kein Gesetz gab, das bei seinen Adressaten auf so einhellige Ablehnung gestoßen ist, wie das Ihnen vorliegende sog.
„Kreisstrukturgesetz“. Genauso sicher bin ich, dass niemals zuvor die Argumente der Betroffenen so konsequent ausgeblendet – manche sagen sogar „ignoriert“ – wurden, wie bei der Erarbeitung dieses Gesetzes. Nie zuvor hat man sich so darum bemüht, den Anschein der Beteiligung der so genannten kommunalen Familie zu erwecken. Und nie zuvor wurde von Seiten der Landesregierung so viel Geld für Gutachten und Stellungnahmen Dritter eingesetzt. Und wohl niemals zuvor wurden Kritiker bereits so frühzeitig angegriffen.

Nie zuvor wurden die Medien dermaßen umfänglich eingesetzt, um ein dermaßen in der Kritik stehendes Gesetzesvorhaben zu rechtfertigen. Stattdessen wurde viel Phantasie darauf verwendet, den Kreis der Kritiker als „Gestrige“, „Besitzstandswahrer“, „Kirchturmwächter“ und was-weiß-ich-noch zu bezeichnen.

Genutzt haben diese Bemühungen der Landesregierung am Ende allerdings wenig. Gewiss, dieser oder jener Kritiker ist leiser geworden, andere haben sich arrangiert oder für das Taktieren entschieden- trotzdem kann die Phalanx derjenigen, die die heute in Rede stehenden Gesetzesentwürfe ablehnen, breiter nicht sein.

Ich selbst war lange genug Mitglied des Landtages, um die unerfreuliche Lage nachvollziehen zu können, in die Sie die Landesregierung gebracht hat: Sie haben als Landtagsabgeordnete der Reform ein ohne Zweifel sehr anspruchsvolles Leitbild vorangestellt. An Ihnen ist es, nunmehr zu prüfen, ob die vorgelegten Gesetzentwürfe Ihren Ansprüchen genügen. Sie haben – auch im Ergebnis des Scheiterns des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes vor dem Landesverfassungsgericht – die Messlatte
bewusst sehr hoch gelegt. Mit dem, was Ihnen die Landesregierung allerdings hier präsentiert, können Sie – um im Bild zu bleiben – allerdings mehr als bequem unter dieser Messlatte hindurch laufen.

Von den von Ihnen geforderten Gesetzen erhalten Sie lediglich zwei – auf das Finanzausgleichsgesetz, das den Zeitraum der Reform miterfasst, warten Sie bislang vergeblich. Das Gesetz, das die kommunalen Strukturen grundsätzlich und zukunftsorientiert regeln sollte, befasst sich – wie es der Titel bereits sehr bezeichnend aussagt – lediglich mit der „Kreisstruktur“. Und das so genannte Aufgabenzuordnungsgesetz ist so
schmal, dass die sich darin enthaltenen Aufgabenübertragungen bereits auf der Landkreisebene erschöpfen und sich zum Teil nur noch in Aufgaben- und Stellenbruchteilen ausdrücken. Ganz davon abgesehen, dass eigentlich gar keine Aufgaben im kommunalen Raum „ankommen“. Aber als sprachlichen Ersatz erfand die Landesregierung hierfür den Begriff „kreiskommunale Ebene“, was immer das auch sein mag.

Sehr verehrte Damen und Herren Mitglieder des Landtages,
die Landesregierung will bei Ihnen den Eindruck erwecken, der Prozess der Erarbeitung der Ihnen vorliegende Gesetzentwürfe sei in einem ordentlichen Verfahren, unter optimaler Beteiligung der betroffenen Landkreise, Städte und Gemeinden abgelaufen. Nun, der Eindruck täuscht.

Was haben wir – kreisfreie Städte, Landkreise und auch Gemeinden – in den letzten Monaten nicht alles unternommen, um unsere Argumente in den Gesetzgebungsprozess einfließen zu
lassen! Wie viel Papier wurde beschrieben, wie viel Zeit haben wir für Anhörungen, Stellungnahmen und Zuarbeiten aufgebracht und wie viel Geld haben auch wir für Gutachten ausgegeben. Und wer hat sich nicht alles mit dem Thema befasst. Man braucht dazu nur einen Blick auf die Liste der Anzuhörenden zu werfen- und diese ist noch nicht einmal vollständig. Und wer hat uns nicht alles mit dem Thema in Beschlag genommen! Das reicht vom federführenden Innenministerium, diversen Gutachtern, über die Enquetekommission, die KGST des Deutschen Städtetages bis hin zum Landesrechnungshof. Und was ist am Ende dabei herausgekommen? 6+2. Ein Ergebnis, das – wie inzwischen den meisten klar geworden ist –
von Anfang an feststand. Zumindest für die Landesregierung.

Was sich dazwischen abgespielt hat – unsere engagierte Mitwirkung, unsere ernsthaften Vorschläge, unsere Gespräche, die Beteiligung an Anhörungen, aber auch unsere Proteste, Kritiken, die Erklärungen der OBs –, das war nur Mittel zum Zweck und diente ausschließlich zur Legitimierung des gerade von mir – und zuvor und nach mir von anderen beschriebenen – Verfahrens.

Sehr verehrte Damen und Herren Mitglieder des Landtages,
Sie haben „Verwaltungsmodernisierung“ in Auftrag gegeben und man präsentiert Ihnen – wie im Beispiel des Kreisgebildes „Südvorpommern“ – überdimensionierte Landkreise in der Größe
des Saarlandes. Kreisfreie Städte werden ausschließlich zur Finanzierung dieser Kreisgebilde eingekreist. Der Flickenteppich von Kleingemeinden, die weitestgehend sich selbst überlassen bleiben bzw. mit merkwürdigen Maßnahmen wie reduzierten Finanzuzweisungen oder Stadt-Umland-Umlagen überzogen werden, bleibt unangetastet. Zur langfristigen Finanzierung sagt man Ihnen gar nichts, denn das gerade beschlossene FAG gilt nur bis zur Umsetzung des so genannten Kreisstrukturgesetzes. Dann geht es für Sie und die weiteren Landtagsmitglieder wieder von vorn los. Sieht so solide Verwaltungsarbeit aus?

Andere von Ihnen geforderte Elemente der Reform – eine sinnvolle Zuordnung von Landesaufgaben, eine ausgewogene Finanzierung, eine Gemeindestrukturreform, die Lösung der
Stadt-Umland-Thematik – werden entweder zurückgestellt, halbherzig in einem sehr schmalen Aufgabenzuordnungsgesetz mehr schlecht als recht geregelt oder einfach nicht mehr berücksichtigt.

Sehr verehrte Damen und Herren Mitglieder des Landtages,
begonnen haben Sie mit einem Verwaltungsmodernisierungs-Projekt – angekommen sind Sie bei einem „Kreisstrukturgesetz.“ Seitens der Landesregierung versucht man den Eindruck zu erwecken, das Ihnen Vorgelegte sei umfassend abgewogen und damit alternativlos. Das ist nicht der Fall. Denn wenn es so wäre, hätte die Landesregierung nicht auf den letzen Moment eine so genannte Rückholmöglichkeit von Aufgaben, die zuvor den kreisfreien Städten entzogen wurden, in das Gesetz aufgenommen. Diese Rückholmöglichkeit – auf die wir in unserer Stellungnahme und auch in der Beantwortung Ihrer Fragen ausführlich eingegangen sind – finden Sie nicht im Gesetz selbst, sondern in den Folgebestimmungen, die u.a.
auch die Kommunalverfassung in den §§ 165 und 167 ändern. Für uns wird damit das gesamte Kreisstrukturgesetz auf den Kopf gestellt. Warum werden vier kreisfreien Städten zunächst
Kraft Gesetzes umfänglich Aufgaben entzogen, um ihnen dann eine Rückholmöglichkeit auf vertraglichem Weg einzuräumen? An die Stelle gesetzlicher Aufgabenwahrnehmung und gleichzeitiger Finanzierung auf gesetzlicher Grundlage tritt verhandelbare Aufgabenwahrnehmung mit verhandelbarer Finanzierung.

Die Schlechterstellung der vormals kreisfreien Städte liegt deutlich auf der Hand. Die Frage nach der Sinnhaltigkeit eines solchen Konstrukts kann nur die Landesregierung beantworten.

Wenn der Gesetzentwurf solide und schlüssig wäre, hätte sich die Landesregierung darin auch mit dem Greifswalder Stadtkreismodell auseinandergesetzt. Dies ist ein Modell, das aus dem kommunalen Raum, sozusagen von „unten“ entwickelt wurde und den Willen von Kommunalvertretungen widerspiegelt, die mehr als 60.000 Einwohner repräsentieren. Um sicher zu gehen, dass Sie dieses Modell auch wirklich kennen, haben wir – der Amtsvorsteher des Amtes Landhagen und ich – Ihnen das Konzept über die Landtagspräsidentin in die Hand gegeben. Sie haben gesehen, wie umfassend die Vorteile für alle Beteiligten – das Land, die Gemeinden und für die Stadt Greifswald – sind. Und obwohl das so ist, wird dieses Modell in den Unterlagen der Landesregierung und der Gesetzesbegründung nur sehr oberflächlich erwähnt. Daher ist es für die an diesem Modell beteiligten Gebietskörperschaften auch nicht erstaunlich, dass in Ihrem Fragekatalog das Stadtkreismodell nicht nachgefragt wird.

Möglicherweise erscheint Ihnen unser Stadtkreis-Modell aber auch so schlüssig, dass Sie dazu keine weiteren Informationen benötigen. Wie es auch sein mag – ich stehe Ihnen in allen von mir angesprochenen Punkten zur Verfügung.

Sehr verehrte Damen und Herren Mitglieder des Landtages,
ich möchte noch einmal an Sie appellieren, die von der „kommunalen Familie“ vorgebrachten Hinweise, Anmerkungen und Kritiken unbedingt in Ihre weiteren Beratungen aufzunehmen.