Mit einem treffsicheren Fingerspitzengefühl piekst Rainald Goetz in seinem aktuellen Roman in eine Sprachblase nach der anderen. Er zeigt, was Menschen mit ihrer Sprache machen und wie die Sprache die Menschen macht, wie Wirtschaft oder Kunst mit Sprache erklärt und geschaffen werden. Eine große konstruierte Wirklichkeit. Besser als jede Reality-TV-Sendung, denn hier wird die Wirklichkeit zur Show. Die Figuren der erzählten Welt des Johann Holtrop geben ununterbrochen den „normalen Nulltext“ von sich, den „Text, den alle kannten.“ Die Wirtschaft wird zum großen verbalen Wenn-Dann-Geschäft.
Eine Rezension von Kristin Gora.
Der Roman kreist um einen internationalen Medienkonzern und dessen Vorstandsvorsitzenden Dr. Johann Holtrop, der als Global-Player dem Unternehmen mit geschickten Verhandlungen und Zukäufen mittels Krediten einen Wachstumsschub ermöglicht. Eine Wirtschaftsblase, die mit dem Zusammenbruch der Investmentbranche nach dem 11. September platzt. Für das eigentliche Kerngeschäft hat Holtrop keine Interesse und auch so ziemlich keine Ahnung davon, wie man ein Unternehmen saniert. Als es eng wird, ist der Vorstandschef zu echten Taten nicht in der Lage. Denn nur eines konnte Johann Holtrop wirklich: reden. Und das macht er auch die ganze Zeit. Entweder textet er seine Untergebenen sinnlos selbstdarstellerisch und machtdemonstrierend zu oder er redet mit sich selbst. Jeder Gedanke scheint ihm Gold wert, Stoff für ein Buch oder einen Vortrag. Wie er sich freute, „wie gut das klang, was er in Interviews und Porträts schriftlich zu sagen bekam, was er angeblich gesagt hatte.“ Eine journalistische Blase über den ohnehin schon hohlen Worten von Holtrop.
Dass so ein Leben bedacht auf und bestehend aus Außendarstellung, medialer Resonanz und ständiger Selbstvergewisserung bei mangelnder Kompetenz nicht glücklich und zufrieden wie bei Fallada in der Gartenlaube enden kann, liegt auf der Hand. Und so stirbt der Selbstdarsteller während seiner letzten Performance, seiner letzten verzweifelten Machtdemonstration, weil er sich mal wieder verzockt hat. Mit einem Schritt wollte er sich rechtzeitig vor dem herannahenden Zug retten und rutscht dann aus. Das Ende eines Lebens ohne Sicherheitsabstand.
So gemein es auch ist, mit dem Ende einen Roman schmackhaft zu machen, so sehr eignet es sich in diesem Fall doch dazu. Für die Lektüre definitiv eine Schlüsselstelle und ein Grund, auf jeden Fall noch über den Roman zu schreiben, auch wenn die meisten sich schon dem Programm der nahen Leipziger Buchmesse zuwenden. Aber Mainstream wollen wir hier ja auch gar nicht sein. Keine Blasen produzieren und schreiben, was wir morgen schon nicht mehr lesen wollen. Schlechte Kritiken seien gut für ihn aber schlecht für das Buch, sagte Rainald Goetz im Interview mit der Zeit. Dem ist nur zuzustimmen, weshalb hier der Debatte eine etwas andere Lesart hinzufügen war. Viele schrieben darüber, was der Roman hätte sein können/ sollen/ müssen. Sie beschreiben, dass alle auf „den Roman“ von Rainald Goetz gewartet hätten, beschreiben sein Scheitern an der Fiktion um gleichzeitig mit dem gespielten who-is-who-Spiel wieder das Gegenteil zu wollen. Diskussionen, die dem Buch selbst nur wenig gerecht werden.
So tragisch der Absturz des Vorstandsvorsitzenden Dr. Johann Holtrop doch klingen mag, so wenig Tragödie finden wir im Text. Ein Erzähler, der seinen Abriss der Gesellschaft – so der Untertitel des Romans – mit den Worten „Wütend schritt ich voran“ einleitet, verleiht seiner Wut in einem zunehmenden Erzähltempo, vorschnellen Urteilen über die Figuren und einer Sprache Ausdruck, die dicht und gleichzeitig auch leer ist. So wie man einen wutschnaubenden, rotanlaufenden und leere Phrasen brüllenden Chef in Film und Literatur so gerne dargestellt sieht, über den man am Ende nur noch lachen kann, wie auch kleine Kinder ihre schimpfenden Mütter so gerne mit einem Lächeln beglücken.
Rasant und unglaublich witzig. Ein Roman, von dem man sich durchaus selbst ein Bild machen darf und definitiv sollte.
Dass so ein Leben bedacht auf und bestehend aus Außendarstellung, medialer Resonanz und ständiger Selbstvergewisserung bei mangelnder Kompetenz nicht glücklich und zufrieden wie bei Fallada in der Gartenlaube enden kann, liegt auf der Hand. Und so stirbt der Selbstdarsteller während seiner letzten Performance, seiner letzten verzweifelten Machtdemonstration, weil er sich mal wieder verzockt hat. Mit einem Schritt wollte er sich rechtzeitig vor dem herannahenden Zug retten und rutscht dann aus. Das Ende eines Lebens ohne Sicherheitsabstand.
So gemein es auch ist, mit dem Ende einen Roman schmackhaft zu machen, so sehr eignet es sich in diesem Fall doch dazu. Für die Lektüre definitiv eine Schlüsselstelle und ein Grund, auf jeden Fall noch über den Roman zu schreiben, auch wenn die meisten sich schon dem Programm der nahen Leipziger Buchmesse zuwenden. Aber Mainstream wollen wir hier ja auch gar nicht sein. Keine Blasen produzieren und schreiben, was wir morgen schon nicht mehr lesen wollen. Schlechte Kritiken seien gut für ihn aber schlecht für das Buch, sagte Rainald Goetz im Interview mit der Zeit. Dem ist nur zuzustimmen, weshalb hier der Debatte eine etwas andere Lesart hinzufügen war. Viele schrieben darüber, was der Roman hätte sein können/ sollen/ müssen. Sie beschreiben, dass alle auf „den Roman“ von Rainald Goetz gewartet hätten, beschreiben sein Scheitern an der Fiktion um gleichzeitig mit dem gespielten who-is-who-Spiel wieder das Gegenteil zu wollen. Diskussionen, die dem Buch selbst nur wenig gerecht werden.
So tragisch der Absturz des Vorstandsvorsitzenden Dr. Johann Holtrop doch klingen mag, so wenig Tragödie finden wir im Text. Ein Erzähler, der seinen Abriss der Gesellschaft – so der Untertitel des Romans – mit den Worten „Wütend schritt ich voran“ einleitet, verleiht seiner Wut in einem zunehmenden Erzähltempo, vorschnellen Urteilen über die Figuren und einer Sprache Ausdruck, die dicht und gleichzeitig auch leer ist. So wie man einen wutschnaubenden, rotanlaufenden und leere Phrasen brüllenden Chef in Film und Literatur so gerne dargestellt sieht, über den man am Ende nur noch lachen kann, wie auch kleine Kinder ihre schimpfenden Mütter so gerne mit einem Lächeln beglücken.
Rasant und unglaublich witzig. Ein Roman, von dem man sich durchaus selbst ein Bild machen darf und definitiv sollte.
Rainald Goetz:
JOHANN HOLTROP. Abriss der Gesellschaft.
343 Seiten.
Suhrkamp Verlag 2012.
19,95 EUR (D).
Suhrkamp Verlag 2012.
19,95 EUR (D).