Reduziert auf das Eigentliche kommt „Strong Believer“ daher. Der Österreicher „Sir“ Oliver Mally präsentiert den Blues so direkt wie nur möglich: Ein Mann mit seiner Stimme, eine Gitarre (nur bei vier Titeln kommt eine zweite hinzu) und dazu die passenden Geschichten. Aufgenommen live und mono, ohne irgendwelchen sonstigen Spielereien.

Blues reduziert auf sein Wesen: gespenstisch und gut.

Ok, ich geb mich geschlagen und behaupte jetzt ganz ungeschützt: Irgendjemand hat entweder Österreich heimlich an den Staat Mississippi angegliedert oder zumindest eine gehörige Portion Mississippiwasser samt zugehörigem Schlamm ins Trinkwasser der Österreicher gemixt. Ansonsten kann ich mir nicht erklären, wie ein Alpenländer wie Oliver Mally solch gültige und gänsehautproduzierende Lieder wie „Devils Child“ hinbekommt. Ich bin ja immer mehr als skeptisch, was die Lobesarien besonders der deutschsprachigen Presse angeht. In Bezug auf „Strong Beliver“ feierte man etwa Mally nicht nur als den besten Bluessänger des Landes. Nein – man warf fast inflationär mit Begriffen wie „authentisch“ um sich. Einer ging sogar so weit, den in Österreich lebenden Hans Theesink ihm gegenüber als Poser zu bezeichnen. Skeptik war meine Schutzreaktion. Und die hielt vielleicht drei Lieder lang. Dann folgte Sprachlosigkeit. Und dann war ich überzeugt, dass die Kollegen recht haben.

Wer mag, kann jetzt stundenlang versuchen, die Herkunftsregionen von Mallys Liedern nachzureisen im Kopf: Meist ist das das Delta des Mississippi, ab und zu hört man die archaischen Grooves der North Mississippi Hills. Und zuweilen wacht man auch in irgendwelchen Folkkneipen der frühen 60er Jahre auf.

Was Oliver Mally (bei vier Liedern gemeinsam mit Produzent Frank Schwinn an der zweiten Gitarre) hier aufgenommen hat, ist ein von vorne bis hinten überzeugendes und brilliantes Bluesalbum: Klar scheinen die Texte zuweilen die Klischees zu zitieren. Aber das haben Blues-Lyrics schon seit der ersten Baumwollernte gemacht. Wichtig ist nicht die intellektuelle Leistung und die instrumentale Meisterschaft des Sängers sondern seine emotionale Fassbarkeit: Und Mally macht einem sofort klar, dass er den Blues nicht nur singt, dass er ihn hat, tief in sich, schon immer, selbst als Österreicher. Die Lieder (bis auf Dylans „Girl from the North Country“ sämtlich von ihm geschrieben) kommen erdig, ungeschliffen und verdammt lebendig aus den Boxen. Man träumt mit dem Sänger mit in ruhigen Momenten von „Strong Beliver“, man fühlt die Wut und Verachtung auf das treulose Frauenzimmer nach in „Devils Child“ und sehnt sich nach der Vollkommenenheit einer Liebe, die doch immer nur Traum zu bleiben scheint.

„Strong Believer“ als Pflichtkauf zu bezeichnen, ist keine Übertreibung. Dass Hans Theesink neben diesem Album ein posender Euro-Blues-Man ist, zu dieser Beleidigung lasse ich mich allerdings nicht hinreißen. Aber auf jeden Fall muss ich jetzt wahrscheinlich meine Plattensammlung noch um weitere Werke Mallys ergänzen…