Sieben Todsünden reichen im 21. Jahrhundert nicht mehr aus, um den Zustand der Welt zu beschreiben. Das meint jedenfalls die französische Sängerin und Songwriterin Nina Van Horn. Und so erweitert sie den Kanon von Hochmut, Habier, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid, Stolz und Trägheit noch um Krieg, Elend, Eifersucht und Gleichgültigkeit. Musikalisch zwischen Blues und Rock ist das Album ein teils zorniger, teils zynischer aber auch humorvoller Blick auf unsere Gesellschaft heute.

WP-Album des Monats März 2013

Mit „Sieben“ hat David Fincher vor knapp 20 Jahren unseren Blick auf die Todsünden entschieden verändert. Ok, er hat vielen Zeitgenossen endlich einmal wieder vor Augen geführt, was unter diesem Lasterkanon seit Jahrhunderten eigentlich zusammengefasst wird an Haltungen, die unser Zusammenleben in der menschlichen Gesellschaft vergiften. Doch die Bilder des Films, die raffinierte Story seines Thrillers rufen jetzt sofort Assoziationen zu durchgeknallten Serienkillern in uns hervor. Und wir sind ja zum Glück nicht Typen, die geldgierige Anwälte foltern und zwingen, sich Körperteile abzutrennen. Dass die „Todsünden“ von den verschiedensten Künstlern durch die Jahrhunderte hin immer wieder genutzt wurden, um den Zustand unserer Welt zu beschreiben, dass vergessen viele zu gern auch bei diesem Film.

Ganz anders jetzt bei Nina Van Horn: In dem Gebet „Prayer for the Ones“ listet sie beinahe endlos auf, wer ihrer Meinung derzeit nicht zu gut mit Gott steht. In „A Hand Shake, A Pencil And A Smile“ klagt sie über Politiker, denen ihre Gier über die Menschlichkeit geht. Mit Handschlag und nem Lächeln werden Etnscheidungen getroffen, die eher dem Bankguthaben wichtig sind als die anderen Menschen. „In Enough Is Enough“ fordert sie die Politiker auf, endlich mal von ihrem hohen Ross herabzusteigen und sich den Menschen wirklich zuzuwenden. In „Streets of Bangalore“ erzählt sie ein Erlebnis, dass sie 2010 bei ihrer Indien-Tour hatte: Ein Kind sietzt da im Freien und isst etwas, was ihre Mutter gerade aus dem Müll einer Villa geholt hatte. Und wenn man die Nachrichten verfolgt, dann ist die Schlussfolgerung, auch der Krieg gehöre zu den Todsünden der Menschheit heute, nicht wirklich von der Hand zu weisen. „Let‘s Kill The War“ ist noch einer dieser explizit politischen Songs des Albums. Doch die Sünden gehen immer auch ins private und persönliche Leben hinein. Da ist der Lüstling, der immer auf der Pirsch nach der nächsten Frau ist, die er ins Bett bekommen will. Eine Frau setzt ihr ganzes Bestreben daran, einen Mann zu finden, auf dessen Wohlstand sie sich gemütlich ausruhen kann. Eifersucht und VersuchungOder Nina erzählt als Beispiel für die Völlerei eine Geschichte aus ihrer Jugend in Texas: 20 Beers Ago ist eine der wirklich witzigen und selbstironischen Nummern. Aber Momente wie dieser sind ziemlich rar – immer ist diese tiefe Betroffenheit, die Wut über sich selbst und über die Zustände der Welt zu spüren.

Entstanden ist „Seven Deadly Sins“ in den Münchner Sky-Studios mit Bobby Altvater als Produzent. Die Kompositionen, an den Blues des Mississippi ebenso erinnern wie sie den Texasblues nach Johnny Winter reflektieren, wurden von dem Gitarristen John. H. Schiessler (Beige Fish, Vanilla Moon) geschrieben. Die Texte stammen von Nina van Horn.

Es ist an der Zeit, dass Bluesmusiker sich so wie Nina van Horn hier wieder stärker als Kommentatoren der politischen und gesellschaftlichen Zustände in der Welt begreifen. „Seven Deadly Sins“ ist für mich eines der ganz wichtigen Bluesalben des Jahres 2013. Sehr empfehlenswert!