Sun_Studio_Memphis_Recording_ServiceSchon in den 20er Jahren war Memphis eine der wichtigen Blues-Metropolen. Weltbekannt wird Memphis aber erst in den fünfziger Jahren durch den Rock ’n‘ Roll Elvis Presleys, aber auch von Jerry Lee Lewis und Carl Perkins. Auch der Countrymusiker Johnny Cash beginnt damals hier seine Karriere. Daneben werden aber auch eine ganze Reihe vorzüglicher Bluesplatten eingespielt. Einen großen Anteil an Blues und Rock’n’Roll aus Memphis hat Produzent Sam Phillips, der 1952 eine kleine Plattenfirma namens Sun gründet. Bereits seit 1950 hat er Bluesleute für andere Schallplattenfirmen aufgenommen.

 

Als Sam Phillips 1951 den Titel „Rocket 88“ aufnimmt, beginnt die Karriere eines der einflussreichsten Männer des Blues der fünfziger Jahre. Am Klavier sitzt nämlich der gerade l9jährige Ike Turner, Chef der Delta Cats. Jackie Brenston (1930-1979) singt, begleitet von Ikes Piano und einer Band mit übermäßig aufgedrehten Verstärkern, von einem neuen Auto, das ihn in Begeisterung versetzt.

Ein paar Jahre später hätte man diesen Titel ohne Mühe als Rock ’n‘ Roll-Hit verkaufen können. 1951 existiert aber dieser Begriff als musikindustrielle Kategorie noch nicht. Ike Turner und seine Kings of Rhythm, so der eigentliche Name der Gruppe, kommen aus Clarksdale und werden stark von Blues-Musikern der Westküste wie den Brüdern Jimmy und Joe Liggins, Roy Brown, Johnny Otis und Lowell Fulson beeinflusst.

  „Rocket 88“ wird heute von zahlreichen Musikhistorikern als eine der ersten Rock ’n‘ Roll-Aufnahmen überhaupt angesehen. Für Ike Turner und seine Musiker ist damals absolut nichts Neues, sondern lediglich die Verarbeitung von Vorhandenem. Turner macht später Karriere mit seiner Ehefrau Tina als eines der am härtesten rockenden Soul-Duos überhaupt. Nach dem Scheitern der Ehe versinkt er in einen jahrzehntelangen Drogenrausch und kommt erst kurz vor dem Ende seines Lebens wieder auf die Musikszene zurück.

Am 25. 2. 1953 holt Sam Phillips den Gitarristen Jimmy De Berry (geb. 1911) und den Schlagzeuger Houston Stokes in sein Studio, hinzu kommt der 34jährige Mundharmonikavirtuose Walter Horton, der bereits seit 1951 Platten einspielt. Von dieser Session werden zwei Titel veröffentlicht, von denen „Easy“, ein Instrumentaltitel, zum Besten gehört, was je an Mundharmonikaarbeit publiziert wurde. Der zu Beginn fast zarte Tonfall steigert sich unaufhörlich, die Mundharmonika klingt am Ende der Aufnahme wie ein Saxophon. Walter Horton wird für diesen Bluesklassiker mit ganzen drei Dollar abgespeist.

Mit „Bear Cat“ des Sängers Rufus Thomas (1917-2009), der in Memphis als Discjockey bekannt ist, landet Sam Phillips 1953 den ersten nationalen Hit. Die Aufnahme ist als Antwort auf Big Mama Thorntons „Hound Dog“ zu verstehen. Beide Songs ähneln sich aber zu stark, und es kommt zu einem Prozess, den Phillips verliert. Erwünschter Nebeneffekt: Sein Sun-Label ist jetzt landesweit bekannt.

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Einer der nächsten Erfolge für Sun ist 1953 „Mystery Train“ mit dem Sänger und Mundharmonikaspieler Herman Parker (1927-1971), der sich Little Junior nennt. Er kommt aus West Memphis und wird von Sonny Boy Williamson II und Howlin‘ Wolf, dessen erster Band er angehört, beeinflusst. Nur wenig später wird der Titel von Elvis Presley gecovert.

Elvis ist der in kommerzieller Hinsicht erfolgreichste Musiker, die Sun je aufgenommen hat. 1954 machte er, noch ein scheuer junger Mann, die ersten Aufnahmen im Sun-Studio. Nach einigen unbefriedigenden Versuchen wird „That’s All Right“ aufgenommen, ein Titel, den der Mississippi-Bluesmann Arthur „Big Boy“ Crudup (1905-1974) bereits 1946 eingespielt hat. Es ist der Durchbruch.

„Wenn ich einen Weißen fände, der Neger-Sound und Neger-Feeling hat, könnte ich eine Milliarde Dollar verdienen.“, wird Sam Phillipps zitiert. Elvis singt zu Beginn seiner Karriere nichts anderes als Blues, aber er ist eben ein Weißer. Coverversionen von „Good Rocking Tonight“ (Roy Brown), „Baby Let’s Play House“ (Arthur Gunter), „Mystery Train“ (Junior Parker), „My Baby Left Me“ (Arthur Crudup) oder „Hound Dog“ (Big Mama Thornton) machen ihn bekannt. Die Identifikation mit dem gutaussehenden Jungen ist für breite jugendliche Bevölkerungsschichten kein Problem, die Platten verkaufen sich in Millionenauflagen. Aber das ist eine andere Geschichte, sowohl für Elvis als auch für Sun Records. Denn der Blues war jetzt für Phillips plötzlich nicht mehr so erfolgversprechend wie der Rock ’n‘ Roll.