Im letzten Jahr hatte Lurrie Bell sich ganz auf akustischen Gospel konzentriert. Jetzt ist mit „Blues In My Soul“ ein Album erschienen, was von vorn bis hinten den Geist des Chicago-Blues der 60er Jahre atmet und gleichzeitig ein Höhepunkt im zeitgemäß gespielten Elektro-Blues ist.
Für mich ist die große Zeit des Chicagoblues nicht so sehr die Zeit der großen Stars. Klar, Muddy, Wolf, Buddy Guy – ohne sie ist das nicht denkbar. Aber es waren immer ihre Bands, die die Musik zum Leben und Tanzen brachten. Die großen solistischen Eskapaden, das Streben nach Virtuosität als Selbstzweck sind Erfindungen aus anderen Ecken der Welt. Und sie sind für mich zum großen Teil mit dafür verantwortlich, dass viele aktuelle Veröffentlichimgem oft nur beim ersten Durchlauf interessant scheinen.
Was Lurrie Bell mit seinen Mitstreitern auf „Blues In My Soul“ spielt, hat mir sofort diese Zeiten in Erinnerung gerufen: Hier spielt eine Band – auch wenn ein einzelner Name auf dem Cover steht. Hier sind Musiker, die Klassiker von Little Walter, T-Bone Walker oder Big Bill Broonzy ebenso engagiert interpretieren, wie sie Bells eigene Nummern zum Leben erwecken. Lurrie Bell predigt seinen Blues, kniet sich als Sänger und Gitarrist in die Geschichten und macht sie zu seinen eigenen. Und seine Musiker (Willie Hayes – dr, Marrhew Skoller – mharm, Roosevelt Purifoy – p, org, Melvin Smith – b) legen dafür ein groovendes Fundament. Solos sind dazu da, um die Geschichten weiter zu spinnen oder zu kommentieren. Und da ist es egal, ob dieser Kommentar von der Gitarre, der Harp oder auch der Horn Section kommt.
„Blues In My Soul“ ist ein Album für die stillen Stunden – oder die kleineren Clubs, wo man dicht genug am Künstler dran ist, um sich ganz auf seine Geschichten einlassen kann. Auf der großen Festivalbühne könnten diese intimen Stücke leicht ihre Faszination verlieren im Vergleich zu all den anderen artistischen „Meisterleistungen“, die dort außerdem noch zu erleben sind.